Profile von Candice Breitz im KOW Berlin

Wer darf in wessen Namen sprechen? 2017 vertritt Candice Breitz ihr Herkunftsland Südafrika auf der 57. Biennale von Venedig, ein Land, in dem die Frage, wer wen repräsentieren soll oder kann – und wer nicht – besonderes Gewicht hat.

Sie erhält neue Relevanz im Licht globaler reaktionärer Bestrebungen, emanzipatorische Positionen zu kapern um sozialen Fortschritt zurückzudrehen, so dass nicht nur in Südafrika jüngst auch darüber eine Diskussion wieder entbrannt ist, in wieweit es weißen Künstlerinnen und Künstlern zusteht, Geschichten, Schicksale und soziale Themen Schwarzer zu vertreten. Oder allgemeiner: Ist es ein Ausdruck von Empathie und Solidarität oder nur eine weitere Form der Bevormundung, wenn manche Menschen ihre Privilegien dazu nutzen, Positionen Dritter zu vertreten, die weniger privilegiert sind oder scheinen? Breitz’ Love Story problematisiert die Repräsentation ‚Anderer‘. Ihre Nominierung, Südafrika gemeinsam mit Mohau Modisakeng in Venedig zu vertreten, hat sie nun zu einer neuen Arbeit veranlasst, die bei KOW erstmals gezeigt wird:

 

Profile entstand Anfang 2017 in Cape Town. Es ist ein Video-Selbstportrait, in dem die Biennalen-Künstlerin aus dem Bild tritt, um Platz zu machen für zehn andere südafrikanische Künstlerinnen und Künstler von Rang, die ebenfalls in Venedig hätten ausstellen können. Sie ergreifen an Breitz’ Stelle das Wort und machen gemeinsam das kunsthistorische Genre des Selbstbildnisses zum polyphonen Konzert eines kollektiven Rollenspiels. „My name is Candice Breitz“, sagen sie in die Kamera und bezeichnen sich dann als das, was sie sind oder sein könnten: Frau oder Mann, weiß oder schwarz, diese oder jener. Identität? Ein Portfolio von Attributen und einigen Stereotypen. Authentizität? Ein Album aus Zuschreibungen und ihrer (Un-)Wahrscheinlichkeit. Repräsentation? Ein schneller Wechsel zwischen Kategorien von Rasse, Klasse und Geschlecht, Beruf und Herkunft. Wer steht hier für andere, wer für sich? Wer spricht in wessen Namen?

 

„I’m Candice Breitz and I approve this message.“ So endet das mehrstimmige Selbstbekenntnis. Die Redewendung ist bekannt aus dem US-Wahlkampf, wo sie in Werbespots die Identität der Kandidaten verbürgen soll wie ein rhetorisches Siegel: „Ja, ich habe das gesagt und stehe zu meinem Wort.“ Doch hier unterläuft die Phrase ihre vorgebliche Beweiskraft. Irgendwo zwischen Selbstparodie, Wahlkampfkampagne und Bewerbungsvideo sammelt Profile das Kapital der besonderen Aufmerksamkeit ein, das seiner Autorin in Venedig zuteil wird, und verteilt es zugleich um auf Kolleginnen und Kollegen, die offensichtlich ebenso wie Breitz mehr Interesse daran haben, ihre Subjektivität zu zerstreuen, als daran, sie zu manifestieren – und nebenbei den Regenbogenfantasien die verzwickteren Realitäten der südafrikanischen Gesellschaft gegenüberzustellen. Dabei lösen sie die Frage, wer eigentlich Südafrika in Venedig vertritt, aus Regimen der Repräsentation und öffnen sie für eine Diskussion darüber, wer eigentlich mitsprechen sollte, wenn von vielen Menschen die Rede ist, von denen dann vielleicht gar nicht die Rede ist, wenn man in Venedig für sie und über sie spricht.

Profile

Apr 29 – Jul 30 2017

KOW

Brunnenstr. 9
10119 Berlin

Veröffentlicht am: 12.05.2017 | Kategorie: Ausstellungen, Kunst, | Tag: Candice Breitz, Profile,

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