Jeder Blick folgt einem Flüstern — zwischen den Zeilen, zwischen Wort und Sinn. Accurate Misreadings lädt dich in jene Zwischenräume, in denen Bedeutung nicht feststeht, sondern durch dein Lesen miterschaffen wird. Wenn Sprache bricht, Schichten offengelegt und Codes sichtbar werden, erst dort beginnt das eigentliche Geschehen. Die Ausstellung führt dich in einen Ort, an dem du nicht nur Zuschauer:in bist, sondern Mitdenker:in einer Sprache, die sich ständig neu erfindet.
„Lesen ist immer ein Akt der Zusammenarbeit“, schreibt Umberto Eco und erinnert uns daran, dass Bedeutung nicht allein im Text liegt, sondern im Raum zwischen dem entsteht, was geschrieben steht, und dem, was gelesen wird. Jeder Leseakt ist von Mehrdeutigkeit, Subjektivität und Entscheidung geprägt. In diesem Sinne wird Interpretation zu einem kreativen Prozess, und jede Lektüre erzeugt ihre eigene Version von Wahrheit.
Ausgehend von der Annahme, dass Sprache von Natur aus instabil ist, versammelt die Ausstellung Werke, die die Wandelbarkeit von Bedeutung durch visuelle Fragmentierung, semantische Schichtung und Aneignungshandlungen erkunden. Mit dem Fokus auf den Lesenden hebt die Ausstellung die zeitliche und subjektive Dimension von Interpretation hervor. Andere Arbeiten der Ausstellung richten den Blick auf die politischen Dimensionen von Sprache. Mehrere Künstler:innen beschäftigen sich mit Verwaltungsakten, Archivmaterialien und algorithmischen Codes – Textformen, die historisch dazu dienten, zu regulieren, auszugrenzen und zu kontrollieren.
NOME ist eine Galerie für zeitgenössische Kunst, gegründet 2015 von Luca Barbeni. An der Schnittstelle von Kunst, Technologie und Politik entwickelt die Galerie ein Programm, das aktuelle wie historische Narrative kritisch befragt – insbesondere jene, die durch Machtstrukturen, Formen der Repräsentation und technologische Einflüsse geprägt sind.
Das Programm von NOME umfasst ein vielfältiges Spektrum internationaler Künstler:innen aus der aufstrebenden und mittleren Generation. Ihre Arbeiten setzen sich mit drängenden globalen Fragen auseinander – von Überwachung und Datenschutz bis hin zu ethnografischen Erkundungen indigener und Schwarzer Gegenerzählungen – und bedienen sich dabei unterschiedlichster Medien wie digitale Kunst, Performance oder zeitbasierte Praktiken.
Künstler von Accurate Misreadings
Camae Ayewa, James Bridle, Paolo Cirio, Cian Dayrit, Goldin+Senneby, Igor Grubić, Voluspa Jarpa, Kameelah Janan Rasheed, Dread Scott
Accurate Misreadings – Gruppenausstellung
Beitragsbild: Kameelah Janan Rasheed, Long Division II (Annotated), 2018 – 2025, Archival inkjet print, wood, glass, marker, 79.5 x 54.5 x 3.7 cm, Courtesy the artist and NOME, Berlin.


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