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Caroline Kryzecki – (Non)sense
6. September 2025 - 18. Oktober 2025

Caroline Kryzecki ist eine radikal präzise und konzeptionell reflektierte Künstlerin. Ihre neue Ausstellung ist mit Non(sense) betitelt – zu deutsch Unsinn. Was ist passiert? Caroline zeigt in (Non)sense Malereien. Zu Beginn ihrer Karriere war sie zunächst durch Kugelschreiberzeichnungen mit tausenden von Linien bekannt geworden. Aus diesen Zeichnungen entwickelte sie Jahre später ihre Rastermalereien. Mit der Pinselspitze malte und tupfte sie tausende kleine halbkreisähnliche Formen mit Gouache und Aquarell in ein Raster. Das Rasterpapier stellte die Handsiebdruckerei aus Berlin nach ihren Vorgaben für sie her. Die ersten Experimente auf Rasterpapier hatte Kryzecki bei der Josef & Anni Albers Foundation gemacht, auf altem Patronenpapier, das einst Textilgestaltern zum Entwurf von Mustern diente.
Durch die Veränderung von Größe und Ausrichtung der Formen, sowie durch die verschiedenen Töne und die Modulation von Transparenz und Opazität, entstanden trotz der immer selben Vorgehensweise Arbeiten von großer Vielfalt. Das Spektrum der Anmutung reichte von ganz streng bis fast psychedelisch. In der jetzigen Ausstellung ergeben sich in den fast sechzigtausend Rasterfeldern der kleinen, und den über dreihunderttausend Feldern der großen Arbeiten ebenfalls wieder unbegrenzte Variationsmöglichkeiten.
Die Raster der Arbeiten haben unterschiedliche Farben. Am Rand des Rasters der kleineren Formate steht MALLORCA gedruckt. Kryzecki hatte dieses Rasterformat bei einem Stipendienaufenthalt auf Mallorca entwickelt. Sie hat den Entwicklungsort des Rasters daher neben dieses drucken lassen, um dem originalen Patronenpapier, das ihr als Anregung gedient hatte, Referenz zu erweisen. Auch bei diesem Papier waren am Rand die Herkunft, die Rastergröße und die Druckerei vermerkt.
Im Jahr 2020 stellte Kryzecki ihre Malereien in der Einzelausstellung Counting Silence bei SEXAUER zum ersten Mal öffentlich vor. Farblich beschränkte sie sich auf nur zwei Farben: Rot und Blau. Drei Jahre später, 2023, reduzierte sie ihre Palette in der Ausstellung Kind of Blue sogar auf nur eine Farbe: Blau. Ganz anders in (Non)sense – Kobaltblau, Türkis, Weiß, Kupfergrün, Ocker, Neapelgelb, Zirkonrosa, Venezianisch Rot. Ein Feuerwerk an Farben. Doch wie kam es dazu?
Man muss wissen, dass die Arbeiten ohne Entwürfe oder Zuhilfenahme eines Computers entstehen. Sie sind alle persönlich von der Künstlerin ohne Mitarbeiterinnen handgemalt und entwickeln sich im Prozess. Und hier gibt es einen Zusammenhang, denn durch die Hand entstehen – anders als bei einer Maschine – ungeplante kleine Abweichungen und Ungenauigkeiten, die die Künstlerin zu einer Reaktion zwingen. Derart kommt es immer wieder zu Veränderungen und Anpassungen im Arbeitsprozess.
Eigentlich hatte Kryzecki eine minimalistische Ausstellung geplant, mit Weiß- und Schwarztönen experimentiert. Dann aber stiegen bei der Vorbereitung Bilder der Mosaike der Alhambra in ihr auf, die sie im Mai 2024 besucht hatte. Die mittelalterliche Burg in Granada (Andalusien) ist eines der bedeutendsten Bauwerke des maurischen Stils in der islamischen Kunst. Bei den Fayencemosaiken dominieren die Farben Kobaltblau, Türkis, Weiß, Kupfergrün, Ocker und Neapelgelb. Die Fassaden der Nasridenpaläste in der Burg sind rosa, davor sieht man das Leuchten von Orangen zwischen sattgrünen, lichtdurchfluteten Blättern. Die Farben aus der Erinnerung gewannen schließlich die Oberhand auch auf dem Blatt, und Kryzecki begann, mit Zirkonrosa und Grün zu experimentieren. Grün ist eine schwierige Farbe, was mit der menschlichen Wahrnehmung zu tun hat, aber auch aus maltechnischen Gründen. Das Zirkonrosa wiederum bauschte den Pinsel auf, wohl wegen der größeren Pigmente, so dass Kryzecki nicht so fein damit malen konnte wie gewohnt. Kurz gesagt: es war schwierig. Die Arbeiten entstanden deshalb viel intuitiver. Die Hand gewann die Oberhand über den Geist. Kryzecki: „Immer, wenn ich eine bestimmte Idee zu haben glaubte, entschied meine Hand, etwas anderes zu tun.“
Aber auch die Formen änderten sich. Kryzecki lernt derzeit Arabisch. Die arabische Schrift, die von rechts nach links geschrieben wird, und die arabischen Schriftzeichen führten Kryzecki zu der Idee, die halbkreisähnlichen Formen im Raster nochmals zu modifizieren. Kryzecki hierzu: „Ich sparte innerhalb des Halbrunds Quadrate aus, immer am Raster des Papiers orientiert. So erreichte ich eine größere Abstufung: ich habe nicht nur vier Formen, durch die das Bild entsteht, sondern zehn.“
Aus der Grundidee einer minimalistischen Ausstellung entstand eine Explosion unterschiedlicher Formen und Farben. Auch sonst war diesmal alles anders. Normalerweise entwickelt Kryzecki für ihre Arbeiten Notationen, mit denen sie die Arbeiten fast mathematisch beschreibt. Auch trägt sie alle Farbtöne sauber in dafür vorgesehene Bücher ein. Ein großes Archiv. Alles voller Sinn und Ordnung. Diesmal nichts dergleichen – stattdessen Chaos, (Non)sense.
Die Arbeiten der letzten Ausstellungen hatten viel mit der minimalistischen Musik der zweiten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts zu tun. John Cage oder Steve Reich sind wichtig für die Künstlerin. Zeit, Rhythmus, Takt, Phasenverschiebungen. Auch dies scheint diesmal anders. Wenn überhaupt, geht es, auf Musik übertragen, diesmal mehr um Klang und Sound. Italo Pop meint die Künstlerin auf Nachfrage ironisch.
Kryzecki spricht bei ihrer künstlerischen Arbeit von Zeiten des „Hineinzoomens“ und Zeiten des „Herauszoomens“. Hineinzoomen bedeutet, die Arbeit auf ihre Essenz herunterbrechen, einen Parameter herausgreifen, durchdeklinieren, die reine Idee herauskristallisieren; alles Unnötige weglassen. Herauszoomen bedeutet: jede Arbeit eine neue Idee, viele verschiedene Ansätze. Jede Arbeit birgt das Potential für eine neue Serie. Diesmal war wohl eher die Zeit für ein Herauszoomen. Kryzecki: „Ich wollte mich noch nicht entscheiden und alle Ideen ausprobieren.“
Wir werden uns also in Zukunft auf weitere Serien freuen dürfen. Auf die jeweils sinnhafte Durcharbeitung einer Idee. Zunächst aber haben wir bei (Non)sense das Vergnügen, die verschiedenen Ansätze und Ideen wie in einem Panorama bestaunen zu dürfen. Alles Prototypen – alle Arbeiten die ersten ihrer Art. Jeweils ein möglicher Nukleus und Ausgangspunkt für eine neue Serie.
Noch einmal Kryzecki:
„Die Arbeiten sind dichter und kleinteiliger. Oft sind alle Farben in einem Bild. Es gibt kaum Weißraum, alle Felder werden gefüllt, oft mit den kleinsten Pinselabdruck-Halbrunden. Es gibt „gewebte“ Schichtungen von Horizontalen und Vertikalen. In einem Blatt probiere ich alle Gelbtöne. Es gibt zentrierte Arbeiten mit diagonalen Kreuzen. Die Regel, dass ich „Zeilensprünge“ am Rhythmus des Rasters ausrichte, gilt nicht mehr. Die Übergänge werden weicher. Es gibt Arbeiten, die chaotisch anfangen und sich dann doch, wie von selbst, eine Struktur suchen. Und am Ende ist sie dann oft doch wieder da. Die Struktur. Was für ein Glück!“
Diese letzten Sätze lassen aufhorchen. Also doch: Struktur! Wie von Geisterhand. Das Unterbewusstsein scheint die Hand geführt zu haben. Daher das Non nur in Klammern. Die Klammern sind wichtig: (Non)sense.
Caroline Kryzecki – (Non)sense
6. September 2025 – 18. Oktober 2025

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