Gosia Warrink lotet den Raum zwischen Design, Kunst und Interieur aus. Sie liebt Inszenierungen: Vielfältig interpretierbar, niemals banal!
Sie studierte Visuelle Kommunikation an der Universität der Künste Berlin und ist Gründerin des Designstudios AMBERDESIGN und des Verlages AMBERPRESS. Sie lebt seit 1995 in Berlin.
Eine der seltenen Ausstellungen von Gosia Warrink kann man im Atelier Moogreen vom 9. bis zum 11. Oktober in der Pestalozzistr. 11 im Rahmen der Design Meile Berlin 2015 sehen. KUNSTLEBEN BERLIN sprach im Vorfeld mit der Künstlerin.
Deine Geschichte.
Wie kommst Du nach Berlin?
Ich kam 1995 nach Berlin. Damals studierte ich noch Linguistik an der Warschauer Universität und habe für ein Jahr ein Stipendium erhalten. Mein Studium habe ich hier beendet. Anschließend habe ich noch Gestaltung an der Universität der Künste abgeschlossen und mich selbständig gemacht.
Warum gerade Berlin?
Hast du vor hier zu bleiben?
Ich liebe Berlin. Man spürt hier Energie in der Luft und ich habe hier genug Raum und Luft zum Atmen. Sowohl privat als auch arbeitstechnisch. Das entscheidet das Leben, ob ich hier bleibe. Pläne in dieser Hinsicht funktionieren nicht; bei mir zumindest. Ich habe mich um das Stipendium vor 20 Jahren nicht mal beworben, mittlerweile bin ich mein halbes Leben hier …
Deine Kunst.
Hier geht es um Tapeten-Design / Tapeten-Kunst… Magst Du uns etwas über Deine Idee dahinter erzählen? Wie bist Du zur Tapete gekommen?
Da es sich bei Tapeten um einen Gebrauchsgegenstand handelt, würde ich meine Tapeten eher beim Design als bei der Kunst verorten. Kunst steht für sich und das Wort klingt immer so groß, abstrakt und unerreichbar. Ich liebe alles was bewegt und überrascht, was ich so in der Form noch nicht gesehen habe. Das ist immer wieder mein Ansporn bei der Arbeit.
Vor Jahren habe ich ICOON, ein Bildwörterbuch herausgebracht, mit dem man mittels Piktogrammen, Symbolen und Fotos weltweit wortlos kommunizieren kann. Die visuelle Bildsprache war hier reduziert und klar. Das Maximum an Information wurde beibehalten. Durch das Buch und die minimalistische Symbolik kam ich zu den Tapeten. Mich langweilen Muster, die man überall zu sehen bekommt – mal schöner, mal weniger schön. Ich wollte überraschen und in Interaktion mit dem Betrachter treten.
Es folgten Tapeten zum Ausmalen für Kinder. Und Piktogramm Kamasutra für Erwachsene. Ich spielte mit Karamell, Schokolade und Kaviar auf Tapeten. Man sollte erst beim näheren Betrachten die Ideen und Zutaten dahinter erkennen. Wie beim Designerpilz: Aus einem 60er Ballchair-Sessel schauen Frauenbeine hervor. Von weitem erkennt man Champignons, Medusen oder Fallschirme.
Ich spiele mit der Wahrnehmung des Betrachters. Bei meinen neueren Arbeiten habe ich auf die Technik und Perfektion bei der Reproduktion der Motive komplett verzichtet. Ich wollte Farbe spüren und ihre Tiefe. Ich fing an, Tapeten von Hand zu bemalen. Acrylfarben, Pinsel, Tapetenmaterial, mein Kopf und meine Hände.
Es folgten übergroße Piktogramme in klaren Farben und mit pastosem Pinselduktus. Ein Junge, der die Idee hat, Steine in der Tasche zu sammeln, war die erste Arbeit. Ein Thema aus dem Leben, denn die Inspiration war mein vierjähriger Sohn und seine unbeschwerte Malweise. Abstrakt und piktogrammhaft aber dennoch zu entschlüsseln. Ich wollte schon immer in einem Bild wohnen. Ohne Rahmen und Begrenzungen.
Deine neue Richtung geht weg vom Muster und hin zum Kunstwerk.
Du malst mit Pinsel. Geht Dein Weg weg vom Design und hin in Richtung Kunst?
Die Grenzen zwischen Design und Kunst werden schwammiger, vor allem wenn man Unikate erschafft. Gemalt oder gezeichnet habe ich auch bei angewandten grafischen Auftragsarbeiten immer leidenschaftlich gern, das verleiht Individualität und die Werke werden dadurch authentischer und weniger austauschbar.
Die Grenze ist aber immer deren Reproduktion. Durch die Vervielfältigung leidet die Authentizität. Das wollte ich um jeden Preis vermeiden und sie bewahren. Die Muster durften bleiben. Nur anders und nie identisch wiederholbar. Mein gemaltes Fischgratmuster ist eine ständige Wiederholung aber jede Bahn ist einmalig und in sich einzigartig. Am Ende geht es für mich weniger um Benennung, ob Design oder Kunst. Das sollen andere Menschen definieren.
Wirst Du irgendwann auch ein ganz typtischen Gemälde auf Leinwand malen?
Ich will es nicht ausschließen aber ich muss zugeben, dass ich jetzt gerade vor allem Lust habe, sehr große Flächen zu bespielen. In dieser Phase meines Lebens brauche ich viel Raum und Luft und Leinwände sind zwar wunderschön, bieten aber immer nur einen Ausschnitt, an den man sich halten muss.
Dein Atelier hier in Berlin: Wo arbeitest Du?
Viel in meinem Arbeitsraum zuhause aber auch ab und zu in einem Atelier, das ich auf Tagesbasis anmiete. Im Moment ist es die perfekte Lösung.
Wie stellt man sich den Werdegang eines Tapetenkünstlers vor?
Vernissage – Galerie – Museum gibt es hier ja sicher nicht.
Ich habe meine Tapeten zum ersten Mal bei der Design Meile Berlin im Oktober letzten Jahres ausgestellt und danach folgte im Dezember Design Miami mit Berlin Design Selection. Im April diesen Jahres war ich bei Salone del Mobile im Brera Design District, auch mit Berlin Design Selection und auch wenn es hier immer um Design ging, waren es Ausstellungen mit Vernissagen. Galerien zeigen zunehmend funktional Art und ich kann mir vorstellen, dass auch Tapeten zukünftig in Galerien hängen. Das kann ich mir vor allem bei handgemalten oder konzeptionellen Arbeiten vorstellen, die in neue Richtungen weisen.
Was sind Deine wichtigsten Erfolge bisher?
Ich arbeite daran 🙂 Erfolg beinhaltet als Wort etwas Vollkommenes und Abgeschlossenes. Ich bin zu neugierig und fleißig. Bevor ich mich ausruhen kann, habe noch viel vor.
Stellst Du aus? Wo kann man Deine Tapeten bewundern?
Die nächste Ausstellung wird wieder im Rahmen der Design Meile Berlin 2015 stattfinden. Ich werde im Atelier Moogreen vom 9. bis zum 11. Oktober in der Pestalozzistr. 11 meine handbemalten Tapeten zeigen. Die Vernissage ist am 9. Oktober um 19 Uhr und ich lade Euch und alle Kunstleben-Fans herzlich dazu ein!
Was ist Dein nächstes Projekt?
Da gibt es viele. Weitere Tapeten. Lichtobjekte und ein Projekt, bei dem ich mit meinem ICOON Bildwörterbuch die Geflüchteten unterstützen kann. Das tue ich schon seit einiger Zeit aber ich möchte noch mehr bewirken und arbeite gerade auf Hochtouren an einer Crowdfunding-Kampagne „ICOON for refugees“, diese wird im Oktober über die Crowdfunding-Plattform Startnext.com laufen. Dieses Projekt liegt mir ganz besonders am Herzen! Ich wünschte aber der Tag wäre viel länger.
Verrate uns bitte noch:
Dein Lieblings-Restaurant oder -Club in Berlin?
Mädchenitaliener.
Dein Lieblings-Buch?
Meister und Margarita.
Dein Lieblingsort in Berlin?
Havelchaussee.
Einen Künstler aus Berlin, den wir unbedingt kennen lernen müssen?
Alicja Kwade, zurzeit läuft eine hervorragende Ausstellung von ihr im Haus am Waldsee.
Gosia Warrink
9. bis zum 11. Oktober 2015
Vernissage ist am 9. Oktober um 19 Uhr
Design Meile Berlin 2015
Atelier Moogreen in der Pestalozzistr. 11
Vielen Dank für den Interviewbericht mit Gosia Warrink. Ihre Tapeten-Kunst finde ich einzigartig und inspirierend! Heutzutage ist die Grenze zwischen Kunst und Design kaum vorhanden und es ermöglicht die Künstler, innovativ zu sein.