Women Life Freedom – Saarlaendische Galerie

Die Ausstellung präsentiert Arbeiten von sechs Künstlerinnen aus dem Iran. Das Saarlandmuseum in Saarbrücken hatte die Präsentation als Zeichen der Solidarität mit der aktuellen iranischen Bewegung „Women Life Freedom“, in der Frauen mutig für ein selbstbestimmtes und freies Leben kämpfen, in sein Programm aufgenommen. Nun wird die Ausstellung in leicht veränderter Form in der Saarländischen Galerie in Berlin zu sehen sein.

Der gewaltsame Tod von Zhina Mahsa Amini im September 2022 hat im Iran und weltweit eine Lawine
des Protestes ausgelöst. Die 22 Jahre alte Frau war von der Sittenpolizei festgenommen worden, weil sie
ihr Haar nicht vorschriftsgemäß unter dem H ab getragen hatte. In Polizeigewahrsam wurde Mahsa Aminiij
so misshandelt, dass sie wenige Tage später starb. Seit April 2024 hat die Regierung des Iran die
gewaltsame Unterdrückung der Frauen noch einmal verschärft. Gemäß einer Anordnung des Führers
Ayatollah Ali Chamenei weitet die “Sittenpolizei” ihre Patrouillen aus. Frauen, die sich weigern, ein
Kopftuch zu tragen, berichten von Belästigungen, Übergriffen und Verhaftungen.

Gezeigt werden jüngste Positionen von international tätigen, aus dem Iran stammenden Künstlerinnen, die
ihre Heimat aus politischen Gründen verlassen mussten und derzeit in unterschiedlichen Ländern der Welt
leben und arbeiten. Die Prints, Videos, Installationen und Objekte wurden in Auseinandersetzung mit der
aktuellen Situation geschaffen und sind größtenteils erstmals öffentlich zu sehen.

Homa Emami wurde 1955 in Shahabad Gharb – Islamabad (Iran) geboren, seit 1986 ist sie in Deutschland.
Sie lebt und arbeitet in Köln und Brühl. Die Auseinandersetzung mit dem Thema „Heimat“ bildet einen
Schwerpunkt im Werk der Bildhauerin und Malerin. In dem Objekt „Rüstung des Widerstands“, 2023,
arbeitet sie mit Ringen aus abgeschnittenem Frauenhaar: einem vergänglichen, zarten und durch die
jüngsten Proteste symbolisch stark aufgeladenen Material. In „Dokumente der Zeit“, 2023, greift sie auf
archivalische und wissenschaftliche Ordnungssysteme zurück. Haarsträhnen, die Frauen sich
demonstrativ bei Protestaktionen abgeschnitten haben, werden sortiert und datiert und überdauern in
Homa Emamis künstlerischer Forschungstätigkeit als zeitgeschichtliche Zeugnisse.

Parastou Forouhar wurde 1962 in Teheran geboren, seit 1991 lebt und arbeitet sie in Deutschland. Sie
war Professorin für Bildende Kunst an der Kunsthochschule Mainz der Johannes-Gutenberg-Universität.
Ihre Eltern – Vertreter der politischen Opposition – wurden 1998 in ihrem Haus in Teheran im Auftrag des
Geheimdienstes ermordet. Jedes Jahr reist Parastou Forouhar zum Jahrestag ihres Todes nach Teheran,
um eine Gedenkveranstaltung zu organisieren und die Aufklärung der politischen Morde im Iran
einzufordern. Für die Ausstellung hat die Konzeptkünstlerin und Aktivistin eine Serie von neuen Prints
gestaltet. In „Papillon Collection II“ löst die buntflächige ornamentale Schönheit Unbehagen und
Brisanz aus. Bei näherer Betrachtung verwandeln sich die scheinbar ornamentalen Muster in reale
Szenen von Unterdrückung, Aufstand und Ausgeliefertsein – ein Spiegel der prekären und
lebensbedrohlichen Situation, der aktuell besonders Frauen unter den verschärften Bedingungen im Iran
ausgesetzt sind.

Samira Hodaei, geboren 1981 in Teheran, lebt und arbeitet in Berlin. In ihren Arbeiten vereinigt sie
Alltagsobjekte mit Malerei. Die Arbeit „An Empty Sofreh“, 2022, wurde in Saarbrücken erstmals gezeigt.
Für diese „leeren Tischtücher“, die an den Nahrungsmittelmangel in ihrer Heimat erinnern, nutzt die
Künstlerin präparierte Stoffbahnen, die in Handarbeit mit Mustern bedruckt, bei Musterfehlern aber
aussortiert werden. Die Ausschussware gestaltet sie mit dicht gesetzten Punkten aus Glasfarbe.
Simin Keramati wurde 1970 in Teheran geboren. Sie lebt und arbeitet in Toronto. In ihren
multidisziplinären künstlerischen Projekten mit Malerei, Zeichnung, Video- und Medienkunst beschäftigt
sie sich besonders mit sozial-politischen Themen.

In Berlin präsentiert sie die Videoarbeit „The edge of the cloud“ (2018/19). Es ist eine Geschichte über
Kriegsopfer und wie Menschen auf der ganzen Welt in den sozialen Medien darauf reagieren. Die
Geschichte wird von einer fiktiven Person erzählt, die als Figur auf dem meistgelikten Foto von “Ailan
Kurdi” basiert, der auf der Flucht vor dem Krieg in seinem Heimatland im Meer ertrank. Das Foto erhielt
die meisten Reaktionen in den sozialen Medien und wurde damals tausendfach geteilt. Die Geschichte
bringt Erinnerungen an Kriege aus allen Zeiten zusammen, einschließlich einiger Erinnerungen der
Künstlerin an den Iran-Irak-Krieg.

Roshi Rouzbehani wurde 1985 in Teheran geboren. Sie lebt und arbeitet als freiberufliche
Illustratorin in London. Sie ist für Zeitungen („The New Yorker“, „The Guardian“, „The WashingtonPost
“, „Die Zeit“), aber auch für Amnesty International tätig. Sie ist Illustratorin und Autorin des Bandes „50
inspiring Iranian Women“. In ihren Grafiken – Porträts und inhaltlichen Statements – widmet sie sich
sozialen Belangen. Engagiert setzt sie sich für Geschlechtergerechtigkeit ein. Die Ermächtigung von
Frauen –„women’s empowerment“ – steht im Zentrum ihrer Arbeit. Ihre Werke sind auf klare Les- und
Erkennbarkeit hin komponiert, die flächige und bunte Gestaltung ist ornamental inspiriert.
Zentrale Gesten und Momente bestimmen ihre Motive, in denen sie iranische Bildtradition und
westliche Plakatgestaltung verbindet.

Jinoos Taghizadeh, geboren 1971, stammt aus Teheran. Derzeit lebt und arbeitet sie in Kanada. Die
multimedial arbeitende Künstlerin, Geschichtenerzählerin und Aktivistin ist ausgebildete Bildhauerin und
literarische Dramatikerin, Malerin, Druckgraphikerin, Performerin und Videokünstlerin. Sie sprengt immer
wieder Grenzen der traditionellen Kunst und stellt sich der Herausforderung politischer Themen. Ihre
Serie von Drucken spielt mit solchen Grenzerweiterungen, die surreal anmuten. Sie bringt gestrandete
Wale in Zusammenhang mit Kulissen iranischer Sehenswürdigkeiten. Die großen Meerestiere liegen auf
menschenleeren Plätzen, vor Moscheen in Isfahan oder dem Theater und der Universität von Teheran.

Dr. Maryam Palizban lebt seit 2005 in Berlin, sie ist Theaterwissenschaftlerin, Autorin, Schauspielerin und
Regisseurin. Das Spannungsfeld zwischen “Religion und Kunst”, “Kulturtheorie des modernen Islam” und
“Performativität und Textualität” gehört zu den wichtigen Themen ihrer mehrsprachigen Publikationen,
Vorträge und Lehrtätigkeit. In ihrer Heimat Iran ist sie als Filmschauspielerin durch Filme wie Deep Breath,
Fat Shaker und LANTOURI sowie als Dichterin bekannt geworden. Maryam Palizban organisierte
interdisziplinäre Kolloquiumsreihen zu den Themen “Körper und Körperlichkeit” und “Frau, Körper und
Revolution” und präsentierte damit das Zentrum für Islamische Theologie in Münster als innovativen
Diskussionsraum. 2023 beteiligte sie sich durch die Veröffentlichung eines Bildes ohne Kopftuch an den
Protesten der Jina-Revolution und engagiert sich seitdem in verschiedenen oppositionellen
feministischen Netzwerken.

Ausstellung in Kooperation mit dem Saarlandmuseum, Saarbrücken. Die Ausstellung wird unterstützt vom
Goethe Institut im Exil und der Stiftung Kulturstiftung Schloss Wiepersdorf

Saarländische Galerie – Europäisches Kunstforum

Charlottenstraße 3, 10969 Berlin
Öffnungszeiten Dienstag – Samstag, 14–18 Uhr

Datum: 14.06.2024 – 3.08.2024

Saarländische Galerie

Veröffentlicht am: 12.06.2024 | Kategorie: Ausstellungen,

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