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KOW: Das Auto Rosi aber
26. November 2022 - 14. Januar 2023

Und da fällt es also hinein in den Trichter der Bedeutungsproduktion, das Kunstwerk, hinabgezogen vom Prozess der Meinungsbildung in Medien, Politik und Gesellschaft. Immer schneller trudelt es abwärts, das Kunstwerk, hin zu dem einen Punkt am Ende des Sogs, zu dem einen möglichen Ausgang: Da kommt es! Ja, da ist sie. Die Aussage.
In 2022 haben wir viel davon gehört, was Kunstwerke aussagen, meinen und wollen. Ausgequetscht wie Zitronen sollen sie preisgeben, wie sie’s mit der Moral halten, für welche Werte sie stehen, welche Politik sie vertreten, und wie erlaubt oder unerlaubt sie deshalb sein sollten. Nun sind wir bei KOW ja Freunde der politischen Kunst, wobei wir lieber sagen: der gesellschaftlich orientierten Kunst. Gerade deshalb wollen wir nach diesem sonderbaren Jahr 2022, in dem sich übergriffige Tendenzen summierten, die der Kunst und anderen Weisen, frei zu denken und zu handeln, auf die Pelle rückten, mal nachschauen, wie sich das eigentlich so verhält mit den Kunstwerken, ihren Aussagen und ihrer Politik. Wie schon manchmal haben wir dabei in den Spiegel unseres eigenen Galerieprogramms geschaut. Herausgekommen ist eine Ausstellung mit 19 künstlerischen Positionen von KOW, die wir zum Jahresende präsentieren. Es ist ein Postulat.
Unübersetzbarkeit
Das fällt als erstes auf: Vor einem Werk, was lässt sich da eigentlich übersetzen in unsere Sprache (wessen Sprache überhaupt)? Und selbst wenn Sprache buchstäblich im Bild ist (oder selbst Objekt ist), was ist dann „gesagt“ und wer oder was sagt es? Oder wird eher etwas gezeigt statt gesagt? Aber was dann? Eine Bedeutung? Wohl kaum. Was es zu sehen gibt, ist nicht gleich das, was gezeigt wird. Und umgekehrt. Und was gezeigt wird hat mit dem, was es bedeutet, nicht unbedingt zu tun. Klingt kompliziert? Ist es nicht. Was Kunstwerke tun und leisten, ist als Erfahrung einer Form einfach nur uneinholbar von Sprache, Konzepten und Theorien, es ist unübersetzbar in politische oder moralische Aussagen, es ist durch keinen Trichter zu pressen, um am Ende ein Kondensat zu erhalten, womöglich gar ein Kondensat, das für alle verbindlich wäre. Die Bedeutung eines Werkes lässt sich niemals adäquat konstruieren, sie bleibt immer wackelig, wandelbar, prekär, offen für andere, alterierende Blicke, und kann sich übermorgen ganz anders darstellen.
Intentionen
Dass Kunstwerke Intentionen hätten, etwas „wollen“, wäre schräg formuliert. Genaugenommen stehen und hängen sie nur da und bieten sich dem Sehen und Denken an. Sie haben natürlich einen Kontext, der sie einbettet in allerlei Bedingungen und auch Ziele. Dennoch obliegt es der Betrachtung und Kommunikation Dritter – des Publikums – welches Schicksal sie ereilt, welche Bedeutung sie im gesellschaftlichen Diskurs erlangen. Was sich über die Intentionen von Künstlerinnen und Künstlern sagen lässt, ist heikel. Gewiss vertreten sie Haltungen, haben Überzeugungen, wollen etwas sagen und erreichen. Viele wollen ihre Intentionen aber gar nicht an die große Glocke hängen. Und eine gute Intention macht bekanntlich noch kein gutes Werk. Außerdem besteht eine tägliche Erfahrung von Künstlerinnen und Künstlern auch darin, dass die Form in ihrem Werk sich der eigenen Intention und Kontrolle ständig entzieht, sich ihr vielleicht (etwa als Material) sogar entgegenstellt. Viele künstlerische Arbeiten entstehen durch und mitten in diesem Spannungsfeld. Zu sagen, Werke folgten geradlinig der künstlerischen Intention, wäre etwas naiv. Zumal soziale oder kollektive Kunstformen eine intentionale Zuschreibung noch schwieriger machen. Und die Betrachtenden? Wie steht es um ihre Intentionen? Nun, man könnte sie als die halbe Miete bezeichnen. Ihr Wollen, ihre Absichten, ihre Situation wirken mit am Werk. Aber auch sie erleben, dass sie es nie im Griff haben (und wer anderes behauptet – etwa als bewertende Instanz, Expertenkommissionen, Gutachter – kann das nur durch die Inanspruchnahme von Autorität).
Kollisionen
Bedeutet das, dass nichts klar ist, nichts verbindlich, nichts verlässlich? Nein, das bedeutet es nicht. Es bedeutet, dass Ansichten, Interessen, Deutungen, Menschen und Dinge ständig aneinandergeraten und im guten, im schönen, und manchmal auch im harschen Sinne miteinander kollidieren. Handeln wir mit Kunst, handeln wir mit Differenzen und mit Unvereinbarem, und zugleich mit der Möglichkeit, beides in eine Form zu bringen, in ein poetisches Modell, in dem Zeichen, Interpreten und Bedeutungen niemals in eins zu bringen sind. Stattdessen vollzieht sich zwischen ihnen eine permanente Bewegung, in der es auch quietschen und knallen, ja in der alles entgleiten und entgleisen kann. Diese Bewegung setzt ein Spiel in Gang, das wir demokratische Politik nennen könnten. Denn hier kommen Reales und Doubletten des Realen auf die Bühne, Formen, deren Zuordnung niemals ganz klar ist und an denen unsere Ansprüche, Absichten und Forderungen andocken, aber auch abprallen können, ohne dass wir das selbst ganz in der Hand hätten. Das mag unsere gewohnten Ordnungen stören. Aber genau das brauchen wir ja. Denn sind wir dafür offen, gehen neue Ordnungen auf.
Emotionen
Das stört Ordnungen, Zuordnungen, Bedeutungsraster und Intentionen manchmal sehr: Emotionen. Emotionale Qualitäten darf man dem Kunsterleben ja zuschreiben, aber sie können intellektuellen oder moralischen Impulsen völlig zuwiderlaufen. An ihnen kann ein Werk (oder eine Person) in schillernde Facetten zerbrechen, die sich kaum zusammenbringen lassen. Auch das ist eine Form des Politischen. Schmerz und Konzept, das steht nicht auf dem gleichen Blatt. Beides kann da sein, aber nicht unbedingt ineinandergreifen, ja vielleicht ganz widersprüchlich zueinander stehen. Das muss man aushalten. Es gibt nicht die nahtlose Identifikation von Werk/ Gefühl/ Bedeutung/ Aussage, ja bestenfalls wird der innere Konflikt erfahrbar, den ein Werk selbst in sich trägt. Widerfahren kann uns auch der Konflikt, etwas formal wahnsinnig schön zu finden, das man z.B. moralisch total problematisch findet. Oder genau umgekehrt. Kann man solche Konflikte auflösen? Manchmal nicht. Ist das schlimm? Nein, im Gegenteil, sagt das Auto Rosi aber.
Konzept und Text: Alexander Koch
Beitragsbild: Peter Friedl, Untitled, 1993, courtesy the artist and KOW Berlin
Das Auto Rosi aber
26.11.2022 – 14.01.2023