Der schweizer Künstler Nicolas Vionnet ist fasziniert von Irritationen. Er schafft Interventionen durch Objekte, konzeptuelle Gemälde und Installationen, die einen Dialog mit ihrer Umgebung provozieren. Seine Arbeiten präsentieren sich zurückhaltend und mit subtilem Witz. Sie bauen ein Spannungsfeld auf, fordern den Betrachter heraus und machen neugierig.
2018 war Vionnet einer der Gewinner des BBA Artist Prize. Mit „To be honest, I never wanted to become an electrician anyway“ präsentiert der Künstler seine erste Einzelausstellung bei BBA.
Einem Elektriker gleich verschaltet Vionnet die Elemente, aus denen seine Objekte bestehen. Anstelle jedoch durch korrekte Verschaltung den Stromkreislauf zu schließen und Funktionalität zu erzeugen, erscheinen Vionnets Arbeiten nur auf den ersten Blick funktional. Eine Waage mit Nägeln: „221 Reasons to say No“, eine Stehlampe mit Gehwagen: „Always stand on the bright side of life”, eine Industriesteckdose, in der eine Perücke steckt: „To be honest, I never wanted to become an electrician anyway.” Diese Objekte sind so alltäglich, so wenig schrill oder pompös, dass die Interventionen manchmal auf den ersten Blick gar nicht auffallen mögen. Und auch die Titel scheinen nicht allzu fremd zu sein, kommen einem irgendwie bekannt vor. Durch Integration weniger Elemente und Sprache erzielt der Künstler genau die Reaktion, die er sich erhofft: Irritation, Nachdenken, ein Schmunzeln.
Das Prinzip von Irritation und Integration
Mit Installationen im Innen- und zuweilen auch im Aussenraum führt Vionnet sein Prinzip von Irritation und Integration fort. Es sind Eingriffe der leisen Art, die den Betrachter zum Dialog einladen. Wer die Galerie betritt der vernimmt ein Plätschern und Blubbern, fast so, als würde eine Duschbrause tropfend Wasser von sich geben. Was zuerst undenkbar erscheint, bestätigt sich beim Betreten des Nebenraumes. Dort steht eine alte Sitzwanne mit zugezogenem Duschvorhang. Eine scheinbar alltägliche Handlung, das Duschen, wird mit einem unpassenden Ort, dem Galerie-Raum, verknüpft. Was bleibt ist Verwunderung. Die Rauminstallation mit dem Titel „Maria, wärst du hart geblieben, wär Weihnachten uns erspart geblieben“ stellt die Wahrnehmung der Besucher auf den Kopf und verleitet dazu, in eine eigene Geschichte einzutauchen.
Im nicht-hierarchischen Dialog mit dem Betrachter
Vionnet spricht vom „nicht-hierarchischen Dialog“ und meint damit, dass sich die künstlerische Arbeit nicht über ihre Umwelt erhebt, ihre Aussage nicht vom Künstler vordefiniert ist: „Der Ausdruck, nicht-hierarchischer Dialog mit der Umwelt‘ beschreibt meine Überzeugung, dass das Kunstwerk selbst niemals dominieren darf. Eigentlich sollte es keine Hierarchie geben. Idealerweise besteht ein Gleichgewicht zwischen Arbeit und Umwelt. Diese Balance ermöglicht es dem Betrachter, beide Komponenten gleichzeitig wahrzunehmen.“ In diesem Sinne lässt sich auch der Betrachter als Teil der Umwelt eines Objektes oder einer Installation verstehen. Seine inneren Vorgänge, die Irritation, seine Amüsiertheit oder sein Unverständnis werden Teil der Arbeit, und sind alle gleichermaßen valide.
Auch auf dem Feld der Malerei spielt Vionnet mit Gewohnheiten und Erwartungen. Seine großformatigen Gemälde der Serie „Untitled“ widmen sich dem Faltenwurf, einem kunstgeschichtlich bedeutenden Motiv, welches, so denn überzeugend ausgeführt, die Meisterschaft des Malers unterstrich. Vionnet widmet sich dem Thema auf komplett andere Weise: Seine Vorgehensweise ist direkt und zeigt konzeptionelle Ansätze. Der Leinwandstoff wird in unbespanntem Zustand drapiert, mit einer transparenten, schwarzen Sprühfarbe Schicht für Schicht bearbeitet und punktuell an gewissen Stellen verdichtet. Überall wo der Stoff erhöht ist, kann die Farbe haften, die versteckten Partien hingegen bleiben weiß. Nach dem Malvorgang wird der Stoff gestreckt und auf die Leinwand aufgezogen. So schlicht, so überzeugend.
Nicolas Vionnet studierte an der Hochschule für Kunst und Gestaltung in Basel und der Bauhaus-Universität in Weimar. Heute lebt der Künstler in Zürich.
Seine Werke waren u.a. Teil der Odessa Biennale für zeitgenössische Kunst, der Aarhus Biennial Exhibition „Sculpture by the Sea“ (DEN), der Moscow International Biennale for Young Art (RUS), The Wilson – Cheltenham Art Gallery and Museum (GBR), Städtische Galerie Kubus Hannover (GER), Alpines Museum der Schweiz Bern (SUI).