1982 war ich Tonassistent bei Geyer Synchron in Berlin, wo die englische Synchronisation seines letzten Films “Querelle” durchgeführt wurde. Hier hatte ich mehrmals die Gelegenheit, mit dem Workaholic Fassbinder zu plaudern – meist beim Essen in der Kantine.
Er machte auf mich einen ausgebrannten, fast lebensüberdrüssigen Eindruck. Ich kann mich erinnern, wir sprachen intensiv über sein bisheriges Schaffen, über seine z. T. schwierigen Produktionsbedingungen. Er sprach leise, teilweise unverständlich. Es sollte das letzte Mal gewesen sein, daß ich die Gelegenheit hatte, mit Fassbinder zu reden. Noch während der Postproduktion verstarb er im Alter von 37 Jahren in München an Herzversagen auf Grund von Überarbeitung, Drogen- und Alkoholproblemen.[/vc_column_text][/vc_column][/vc_row][vc_row][vc_column width=”1/2″][vc_single_image image=”15761″ border_color=”grey” img_link_target=”_self” img_size=”full”][/vc_column][vc_column width=”1/2″][vc_column_text]Ich bin dankbar, ihn kennen gelernt zu haben.
Sein letzter Film “Querelle” wurde auf dem Filmfestival Venedig uraufgeführt. 1983 erhielt der Film allerdings die “Goldene Himbeere” für den schlechtesten Film.
Rainer Werner Fassbinder gilt bis heute zu den größten, deutschen Nachkriegsregisseuren. In den USA ist sein geniales Film-Schaffen und sein Stellenwert im deutschen Film bis heute ungebrochen.[/vc_column_text][/vc_column][/vc_row][vc_row][vc_column width=”1/1″][vc_column_text]
Fassbinder im Martin-Gropius-Bau – JETZT
Neben der Arbeitsweise des Filmemachers veranschaulicht Fassbinder – JETZT die Kohärenz seines filmischen Werks und dessen Einfluss auf die zeitgenössische Kunstproduktion. Die Ausstellung nimmt damit eine doppelte Perspektive ein: historisch und gegenwartsbezogen. Sie spürt die ästhetischen, politischen und medialen Zusammenhänge auf, die unsere Gegenwart von Fassbinders Zeit distanzieren und zugleich mit ihr verbinden.
Die Präsentation beginnt mit einer Gegenüberstellung: Schlagzeilen und Texte spiegeln die damalige Rezeption der Persona Fassbinder und seines Werks in der Öffentlichkeit wider. Auf neun Monitoren mit Ausschnitten aus Fernsehinterviews, erläutert Fassbinder sein Filmverständnis – und verdeutlicht implizit auch die Methoden seiner Selbstinszenierung.
Diesem öffentlichen Image Fassbinders wird im ersten Teil der Ausstellung ein anderes gegenübergestellt: Originaldokumente und persönliche Gegenstände aus seinem Nachlass gewähren den BesucherInnen detaillierte Einblicke in das Lebensumfeld und die Projekte des Regisseurs. Notizen, Briefe, Kalkulationen, Skripte, Drehbücher und -pläne legen Fassbinders Arbeitsweise sowie seine persönliche Haltung dar und verdeutlichen sein strategisches und strukturiertes Vorgehen. Eine Bildschau zeigt den Regisseur hochkonzentriert bei der Inszenierungsarbeit mit seinem Team. An Medienstationen mit digitalisierten Dokumenten, wie beispielsweise vollständigen Drehbuchmanuskripten, können die BesucherInnen virtuell durch das Arbeitsarchiv Fassbinders blättern oder das Diktat zu seinem Opus Magnum BERLIN ALEXANDERPLATZ (1979/80) anhören. Ergänzend wird das Augenmerk auf die Arbeit Fassbinders mit der Kostümbildnerin Barbara Baum gelegt. Neben ihren Kostümen, wie dem spektakulären Silberlamé-Kleid, das Hanna Schygulla in „Lili Marleen“ (1980) trägt, und den Matrosen-Uniformen aus „Querelle“ (1982), werden Skizzen aus ihrem Privatbesitz präsentiert.
Der zweite Teil der Ausstellung veranschaulicht die durchgängigen Themen und ästhetischen Mittel in Fassbinders Filmen und stellt sie Arbeiten von zeitgenössischen KünstlerInnen gegenüber, die sich direkt oder indirekt auf diese beziehen. So sind auf einer frei im Raum schwebenden Leinwand Filmausschnitte mit Fassbinders 360°-Kameradrehungen zu sehen, darunter auch die berühmte Szene aus „Martha“ (1973). Es folgt Runa Islams Videoinstallation „Tuin“ (1998), in welcher sie diese Kameradrehung zitiert.
Eine Kompilation mit Ausschnitten aus Fassbinders Filmen führt auf drei großen Leinwänden in die wichtigsten Themen seines Œuvres ein und verdeutlicht zudem stilistische Mittel, wie Licht, Rahmung und Blickführung, die seine Filme prägen.
Ästhetische Strategien, Themen und Motive aus Fassbinders Filmen haben auch Jeroen de Rijke / Willem de Rooij, Tom Geens, Maryam Jafri, Ming Wong sowie der kanadische Fotograf Jeff Wall in ihren Arbeiten aufgegriffen. Die Künstler verbinden diese mit ihrer eigenen Haltung. Ihre Arbeiten eröffnen eine neue Sichtweise auf Fassbinders Werk, sie legen dar, welche Aspekte heute von besonderer Relevanz sind und demonstrieren übergeordnet, wie das Kino aktuelle künstlerische Medien prägt. Umgekehrt liefern die Videoarbeiten Interpretationsimpulse für die heutige Fassbinder-Rezeption.
Das Projekt findet in Kooperation mit der Rainer Werner Fassbinder Foundation, Berlin statt und wird durch den Hauptstadtkulturfonds gefördert.