Video: Pal Stock – Der Zauberer des Augen-Blicks

Wie verlängert man Leben, das vergänglich ist? Wie begegnet man überhaupt offen der Vergänglichkeit, dem unausweichlichen Voranschreiten dessen, was sich nicht ändern lässt? Der Berliner Künstler Pal B. Stock hat eine Antwort darauf gefunden. Sie ist eingefangen in seinen Bildern, im wahrsten Sinne des Wortes vielschichtig wie das Leben selbst und offenbart sich, wenn wir bereit sind, in das Mysterium einzutauchen.

Als ich die Wohnung von Pal B. Stock betrete, nehme ich als erstes den Geruch von Wachs wahr. Schwer liegt er im Raum und weckt sofort diverse Assoziationen, die allerdings wenig mit Kunst zu tun haben. Schon gar nichts mit Bildern, die an der Wand hängen. Um so neugieriger folge ich dem Geruch und muss nicht weit gehen, um die Quelle zu entdecken. In einem hohen Raum, der früher Wohnzimmer war und heute dem Künstler als Atelier dient, stehen auf einem Tisch drei große gusseiserne Töpfe, aus denen es dampft. Daneben liegt ein langes Holzpaneel, das mit Malerkrepp umrandet ist, der einige Zentimeter übersteht und damit das Brett in eine Form verwandelt.

Später werde ich sehen, was es damit auf sich hat. Ich werde zuschauen, wie das flüssige Wachs weich und gefügig in jeden Winkel fließt, seinen Weg findet, auf dem Paneel haftet, mit jeder Minute, die vergeht, seine Oberfläche verändert, langsam aushärtet und anschließend von Pal zunächst mit einer Rasierklinge und später mit Farbe bearbeitet wird.

Pal B. Stock ist ein leidenschaftlicher Künstler. Einer, der alles gibt, um das zu tun, was er liebt. Das hört man, wenn er begeistert wie ein Kind von seiner Arbeit spricht und das zeigt sich in seinen Bildern. Viele von denen stehen verteilt im Raum, einige hängen an den Wänden und es sind Bilder, die einen nicht loslassen. Bilder, die dazu einladen, einzutauchen, zu versinken in der Spannung zwischen Transparenz und Tiefe. In der Ambivalenz zwischen Schwere und Leichtigkeit. Bilder, die Emotionen wecken und auf fast magische Weise etwas über das Leben und auch über den Künstler selbst erzählen. Über seine Art, die Welt zu betrachten, über seinen Blickwinkel. Liebe ist ein Thema, wie er selbst sagt.

Viele Künstler wollen etwas Besonderes schaffen, wollen herausstechen aus der Masse. Pal B. Stock gelingt das, weil er den Mut hat Grenzen zu überschreiten. Vor allem jene, die in unseren Köpfen sitzen. Wer würde auf die Idee kommen, Wachs an die Wand zu hängen? Wer würde glauben, dass ein Element, das wir sonst nur als flüchtig und vergänglich kennen, das unter dem Schein der Kerze zerfließt, Trägermaterial für pure Lebendigkeit sein kann? Doch gerade dieser Widerspruch ist es, der die Bilder von Pal B. Stock so anziehend, so besonders und am Ende so einzigartig macht.

Pal Stock in seinem Berliner Atelier
Pal Stock in seinem Berliner Atelier

 

Wachs zerfließt und verdampft, wenn wir es erhitzen. Das Material verändert sich, im Grunde stirbt es. Und genau darin liegt der Widerspruch, den wir als Betrachter wahrnehmen. Da ist einerseits die Lebendigkeit, die Pals Bilder transportieren. Gleichzeitig zeigt sich subtil auch die andere Seite. Das Vergehen. Das Sterben. Der Grund für diesen Gegensatz offenbart sich nicht, denn er liegt nicht im Trägermaterial, nicht im Bild, sondern beim Künstler selbst. Pal leidet an einer seltenen Augenkrankheit, die nach und nach seine Sehkraft abtötet. Ein irreparabler Prozess, dem man nichts entgegensetzen kann, außer im eigenen Schaffen immer wieder den Augen-Blick zu konservieren. Das, was bewegt, festzuhalten. Und dabei dem Betrachter trotzdem noch den Raum zu gestatten, sich selbst zu entdecken, den eigenen Augen-Blick zu finden.

Pal Stock in seinem Berliner Atelier
Pal Stock in seinem Berliner Atelier

 

Ich gebe es ehrlich zu: Es ist schwer, als Autor objektiv zu bleiben, wenn man von etwas ergriffen ist. Ich war, als ich nach dem Besuch bei Pal B. Stock wieder auf die Straße trat, wie verzaubert. Habe mich gefragt, ob das Pärchen, das neben der Haustür vor dem Akca Dönerladen teilnahmslos in der Sonne saß und Bier trank, jemals über die Vergänglichkeit des Leben nachgedacht hat. Ob die Menschen, die die Frankfurter Allee entlanghetzten und zu Hunderten in das große Einkaufscenter strömten, etwas über die Kraft des Augenblicks wussten? Ich konnte es in diesem Moment nicht sagen. Es war auch egal, denn ich spürte, dass ich gerade die einmalige Gelegenheit hatte, durch eine Tür einzutreten, die mich ohne Umwege in das Mysterium des Lebens geführt hat. Was für ein Geschenk.

Pal P Stock

Pal Stock in seinem Berliner Atelier
Pal Stock in seinem Berliner Atelier

Veröffentlicht am: 11.10.2015 | Kategorie: Künstler entdecken, Videos, | Tag: Künstler-Doku, Pal B. Stock,

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