Edgar Arceneaux – Shards

Edgar Arceneaux - Shards

Du tauchst ein in die Fragmentierung eines Selbstbildes: In „Shards“ bei 68projects by KORNFELD enthüllt Edgar Arceneaux Spiegel, die ihre reflektierende Haut abstreifen – und auf Leinwänden zu unheimlichen, dynamischen Abbildern seiner Identität und politischer Wirklichkeit werden. Was bleibt vom Ich, wenn der Spiegel seinen eigenen Blick verliert? Welche Narben verlassen den Raum zwischen politischer Gewalt und persönlicher Geschichte? Die Ausstellung eröffnet am 10. September 2025 zur Berlin Art Week und gipfelt in einer performativen Begegnung mit Arceneaux selbst. Bist du bereit, in den Riss zu sehen?

68projects by KORNFELD präsentiert Shards – eine Einzelausstellung des renommierten US-amerikanischen Künstlers Edgar Arceneaux (*1972, Los Angeles), die am 10. September 2025 im Rahmen der Berlin Art Week eröffnet wird. Die Ausstellung markiert Arceneaux’ Debüt bei der Galerie und bildet den Abschluss seiner Sommerresidenz bei 68projects by KORNFELD, die in Zusammenarbeit mit Villa Aurora & Thomas Mann House organisiert wurde. Von Anfang Juni bis Ende Juli setzte sich Arceneaux intensiv mit der Berliner Kunstszene auseinander und entwickelte neue Werke, die in Shards erstmals gezeigt werden. Zur Eröffnung am Mittwoch, dem 10. September, präsentiert der Künstler eine besondere Performance in der Galerie.

Im Zentrum der Ausstellung stehen Arceneaux’ sogenannte „skinned mirrors“, eine Werkreihe, die rohe Materialität mit existenzieller Reflexion verbindet. Die Arbeiten entstehen in einem radikalen Prozess: Arceneaux löst die reflektierende Metallschicht gebrauchter Spiegel ab und überträgt sie auf unbehandelte Leinwand. Das Ergebnis ist kein sauberer Abdruck, sondern eine brüchige, instabile Oberfläche, durchzogen von Rissen, Verzerrungen und chemischen Reaktionen. Der ursprüngliche Spiegel, traditionell ein Objekt der Selbstwahrnehmung, wird zerlegt, seiner Funktion beraubt und in etwas Rohes, Ungeklärtes verwandelt. Zerbrochene Glasplatten hinterlassen geisterhafte Spuren, die Oberflächen changieren zwischen schimmerndem Silber, oxidiertem Kupfer, giftigem Grün und rußigem Schwarz. Es entsteht der Eindruck organischer Überreste, angesiedelt zwischen Schönheit und Schrecken.

Arceneaux vergleicht den Prozess mit dem Häuten eines Tieres. Die „chemischen Eingeweide“ des Spiegels werden freigelegt. Die Leinwände erhalten eine körperliche, unheimliche Präsenz, erinnern an heilige Reliquien ebenso wie an die Überbleibsel einer postindustriellen Autopsie. Sie hängen wie Leichentücher und tragen den Abdruck eines nicht mehr lebendigen Bildes. Der Künstler stellt eine zentrale Frage: Was bleibt vom Selbst, wenn der Spiegel nicht mehr reflektiert?

Der Spiegel, als Verlängerung menschlicher Wahrnehmung und Instrument der Selbstvergewisserung, verliert seine Klarheit und wird zu unsicherer, instabiler Materie. Die Berliner Präsentation konzentriert sich auf Werke, die von Blau-, Rot- und Violett-Tönen dominiert sind. Farben, die mit Blut, Macht, Würde und Verletzlichkeit assoziiert werden. Die neuen Arbeiten, eigens für die Ausstellung entwickelt, setzen sich direkt mit politischen und sozialen Brüchen auseinander, insbesondere in den USA. Arceneaux verweist auf die Praxis der US-Behörde ICE (Immigration and Customs Enforcement), die Menschen festnimmt, abschiebt oder verschwinden lässt, ebenso wie auf die anhaltende Realität rassistisch motivierter Polizeigewalt. Diese Themen finden auch in Berlin Resonanz – und wirken weltweit nach. In diesem ortsbezogenen Dialog schafft Arceneaux einen Kontrapunkt zwischen seiner künstlerischen Praxis und Fragen von Identität, Macht und Sichtbarkeit im urbanen Raum.

Seine Arbeiten gehen über formale Experimente hinaus, sie verbinden materielle Geste, historische Referenz und Erinnerung zu aufladbaren narrativen Strukturen. Arceneauxs Schaffen, das Zeichnung, Skulptur, Installation, Performance und Film umfasst, untersucht Spannungen zwischen Vergangenheit und Gegenwart. Die Ausstellung stellt Fragen von dringlicher künstlerischer und kultureller Relevanz: Was wird aus dem Selbst, wenn der Spiegel nicht mehr funktioniert? Wie reagieren wir auf ein Bild, das keine Klarheit bietet, sondern Unsicherheit vertieft? Diese Werke werden zu Manifesten zeitgenössischer Selbstverortung in einer Ära globaler Instabilität. Durch ihre materielle Intensität, historische Tiefenschärfe und formale Radikalität rufen die skinned mirrors künstlerische Traditionen der Vanitas und Ästhetik des Verfalls auf – und weisen zugleich in die Zukunft. Arceneauxs Werk hinterfragt nicht nur materielle Präsenz, sondern auch die performative und politische Rolle von Kunst in sich wandelnden Gesellschaften.

Der in Los Angeles lebende Künstler Edgar Arceneaux ist ein gefeierter multidisziplinärer Künstler, der in den Bereichen Zeichnung, Installation, Film und Performance arbeitet. In seinem Schaffen setzt er sich mit vielschichtigen historischen Narrativen, Sprache und Identität auseinander. Arceneauxs Arbeiten wurden international in renommierten Institutionen gezeigt, darunter das Whitney Museum of American Art in New York, das Hammer Museum in Los Angeles, das Museum of Contemporary Art Detroit, die MIT List Visual Arts Center in Cambridge und das San Francisco Museum of Modern Art. In Europa war er u. a. im Palais de Tokyo in Paris, im Kunstverein Hannover und dem Hamburger Bahnhof in Berlin. Seine Werke sind in bedeutenden öffentlichen und privaten Sammlungen vertreten, darunter die Sammlung des Museum of Modern Art (MoMA) in New York, die Sammlung der Deutschen Bank sowie das Studio Museum in Harlem. Der Künstler lebt in Pasadena und ist Associate Professor an der University of Southern California in Los Angeles. Er ist außerdem Mitbegründer des Watts House Project.

Edgar Arceneaux – Shards

10. September – 25. Oktober 2025

Sonderöffnungszeiten zur Berlin Art Week:
Donnerstag, 11. September | 11–18 Uhr
Freitag, 12. September | 11–20 Uhr
Samstag, 13. September | 11–19 Uhr
Sonntag, 14. September | 12–18 Uhr

68projects by KORNFELD

Veröffentlicht am: 28.07.2025 | Kategorie: Ausstellungen, Kunst,

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert