Lotta Antonsson ist Teil einer Generation schwedischer Künstlerinnen, die in den 1990er Jahren hervortraten, inspiriert von der poststrukturalistischen Theorie und der Kunst, die sich mit den neuen Medien in Bezug auf die Identitätsbildung auseinandersetzt. In ihrer künstlerischen Arbeit thematisiert sie seit knapp drei Jahrzehnten mit Ironie und Selbstdistanz die Objektifizierung von Frauen. Dabei beschäftigt sie sich mit analogen Fotografien, die über Printmedien verbreitet werden, als Mittelpunkt dieses Projekts. Antonsson nutzt ihr umfangreiches persönliches Archiv an alten Mode-, Erotik- und Lifestyle-Magazinen sowie Plattencovern, um die historische und fotografische Darstellung von Frauen aus einer feministischen Perspektive zu untersuchen.
Für BLUE (Shell for You) entwarf Antonsson eine maßgeschneiderte Fototapete, die nahezu die gesamte Rückwand der Galerie bedeckt. Das Bild einer Frau, im Titel nur als „Kate“ bezeichnet, verschwindet hinter digitalen Bildern von Muschelketten. Eine zusätzliche Dimension entsteht durch das Hinzufügen tatsächlicher Muschelketten. Antonssons unverwechselbare Collagentechnik mit gesammelten Naturmaterialien, (die die Künstlerin selbst vor Ort beschafft hat), ist ein durchgängiges und prägendes Merkmal ihrer Arbeit. Zerkleinerte Muscheln, Edelsteine oder Treibholz schmücken alte Plattencover, Zeitschriften und Zeitungsausschnitte.
Indem Antonsson den Namen des Künstlers vom Cover entfernt, entsteht ein besonderer grafischer Effekt, während die Identität des Künstlers verschleiert wird. Oft wird nur der Vorname im Titel des Werks wiedergegeben, und der Porträtierte wird wieder zum Subjekt statt zum Objekt der Bewunderung. Die Muscheln und anderen Materialien schmücken und dekorieren, oder sie illustrieren eine Emotion – eine einzelne Träne aus Lapislazuli. In einem anderen Werk wirken sie wie ein Schutzmantel auf einem Gesicht, das mit zerkleinerten, scharfen Muscheln bedeckt ist und aus dem nur noch die Augen herausschauen. Wenn ihre individuellen Gesichtszüge verschwinden, können sie existieren, ohne gesehen zu werden. In manchen Bildern sind es die Augen oder die Zähne, die bedeckt sind. Dem Blick des Betrachters verborgen, sind sie für sich allein, unbeobachtet, frei.
Antonsson verwendet hauptsächlich Bildmaterial aus den 1960er und 1970er Jahren. Patrik Andersson bezeichnete diese Tendenz in der Publikation “I am a Woman” (2016) als ‘a kind of eulogy to the social, sexual and political moment that surrounded her childhood. (…) By cutting and pasting documents from the past, Antonsson suspends us in a space that is both personal and political – enough to suggest that all is not lost in our age of digital reproduction and political cynicism.’
Die Sockel, deren leuchtend blaue Farbe eine klare kunsthistorische Referenz darstellt, dienen als Fundament für die Gesamtinstallation. Die auf ihnen platzierten Objekte und Werke nehmen Bezug aufeinander und auf andere Collagen in BLUE (Shell for You). Eine Entdeckung, eine Schatztruhe, ein visuelles Geschenk der Künstlerin an den Betrachter. Man spürt ihre Verbundenheit zu den von ihr gewählten Materialien. Sie sucht an Stränden und auf Flohmärkten nach den passenden Gegenständen und bewahrt sie auf, bis sie zueinander finden.
Lotta Antonsson studierte Bildende Kunst und Fotografie in Stockholm an der Universität für Kunst, Handwerk und Design und an der Königlichen Kunstakademie in Kopenhagen. Antonsson war Professorin für Fotografie (2007 – 2016) an der Valand Academy of Art and Design in Göteborg. Ihre Arbeiten waren in zahlreichen internationalen Ausstellungen zu sehen, darunter Moderna Museet, Stockholm, Magasin III, Stockholm, Capture Photofestival /Trapp projects, Vancouver, Villa San Michele, Capri, Latvian Centre for Contemporary Art in Riga, Photobiennale in Brighton, UK, und die Daegu Photo Biennale in Südkorea.
Lotta Antonsson – BLUE (Shell for You)
10. September 2023 – 28. Oktober 2023