sound spaces berlin – 25 Jahre singuhr

Anlässlich des 25-jährigen Bestehens veranstaltet singuhr – projekte „sound spaces berlin“ mit einem Online-Vortrag und einer dreiwöchigen Doppelausstellung: An ihrer ersten Wirkungsstätte, der Berliner Parochialkirche, zeigt die singuhr eine Re-Installation der Klanginstallation »Musik, weiter entfernt« des 2011 verstorbenen Pioniers der Klangkunst, Rolf Julius, und im Meinblau Projektraum auf dem Pfefferberg die Klang- und Rauminstallation »elephant meditations« von Julio Lugon.

Rolf Julius – Musik, weiter entfernt (Klanginstallation, Parochialkirche)

Ein besonderes Ereignis widmet »sound spaces berlin« Rolf Julius (1939-2011), der als einer der wichtigsten Protagonisten der Klangkunst weltweit gilt. In Zusammenarbeit mit der Tochter des Berliner Künstlers, Maija Julius, präsentiert singuhr – projekte ein Re-Enactment seiner Klanginstallation »Musik, weiter entfernt«, die Julius 1999 im Kirchenschiff der Berliner Parochialkirche realisierte.

Julius arbeitet sehr behutsam mit dem Raum. Er verwendet nur wenige Lautsprecher, die hoch oben in den Kuppeln und im Dachstuhl des Kirchenschiffes installiert sind. Dennoch entwickeln sie eine große musikalische Kraft. Kompositorisch arbeitet Julius mit zwei unterschiedlichen Klangcharakteren: Einer in sich bewegten Grundierung aus dicht-flirrenden Klängen im hohen Register sowie lose eingestreuten musikalischen Miniaturen, perkussiven Klavierimpulsen und Geräuschen in mittlerer und tiefer Lage. Die vielfachen Reflektionen der Klänge an den unverputzten Backsteinwänden lassen eine faszinierend vielschichtige Klangatmosphäre entstehen. Direkt an einer Backsteinwand scheinen die Klänge förmlich von den Wänden zu rieseln. Im Zentrum des Kirchenschiffs erscheinen sie dagegen echohaft weit entfernt. Klang und Raum gehen hier sehr enge Verbindungen ein, die sich aus den verschiedensten Perspektiven – umhergehend oder auch ruhend auf einer Kirchenbank – erkunden lassen.

Über die Installation schrieb Rolf Julius 1999:

„An der Parochialkirche fasziniert mich ihre Unfertigkeit und ihre Eindeutigkeit als architektonischer Innenraum. Was man hauptsächlich spürt, ist Leere, Höhe, Entfernung. Ich möchte diesen Raum in seiner akustischen Schönheit zeigen, sie zum Thema machen und musikalisch betonen. Der Raum selber wird als Instrument wirken.“

Rolf Julius: Musik, weiter entfernt – Klanginstallation (Detail), 1999, Fotograf: Roman März
Rolf Julius: Musik, weiter entfernt – Klanginstallation (Detail), 1999, Fotograf: Roman März

Julio Lugon – elephant meditations (Raum-Klanginstallation, Meinblau Projektraum)

Einem Künstler der jungen Generation ist die zweite Ausstellung gewidmet. Der aus Peru stammende Julio Lugon schloss 2019 sein Masterstudium Sound Studies an der UdK in Berlin ab. Seine Installation „elephant meditations“ spielt mit der Metapher eines seit langer Zeit verlassenen, aber dennoch selbstständig weiterarbeitenden Forschungslaboratoriums. Die raumgreifende Installation skizziert einen mysteriös anmutenden Ort, der einen merkwürdigen, künstlichen Organismus beherbergt.

Aus gelben Nylonstoffen zusammengefügt und angetrieben von Ventilatoren, blähen sich die Gliedmaßen dieses Körpers mit Luft auf und fallen schließlich langsam wieder in sich zusammen.

Schläuche, schwarze Kabel- und Steuerungsleitungen führen zu einer Art Überwachungsstation, die jedoch verwaist ist. Die Akteure sind verschwunden, die Kabel enden an ominösen, im Raum aufgehängten Stahlblechen, deren Form an Steuerungstafeln erinnert. Anstatt mit Schaltern und Bildschirmen aber sind sie mit Lautsprechern ausgerüstet. Durch sie klingen die Geräusche des künstlichen Organismus echohaft nach. Alles scheint wie von Geisterhand zu funktionieren. Die Frage, welche Ziele die Apparaturen in diesem dystopisch anmutenden Szenenbild verfolgen, bleibt unbeantwortet. Julio Lugon hat die Installation seit ihrer ersten Präsentation 2019 in Bonn – und besonders auch angesichts der aktuellen globalen Krisensituation – kontinuierlich weiterentwickelt. Im Rahmen von »sound spaces berlin« präsentiert er eine neue Version, die auch der Frage nachgeht, inwiefern die Stellung des Menschen in einem Universum komplexer und vielfältiger Wesen, die neben ihm existieren, in Zukunft nicht auch zur Disposition stehen könnte.

Vortrag und Konzert

Im Kontext der Ausstellungen finden zwei Veranstaltungen statt. Am Samstag, dem 29.05. wird die Musikwissenschaftlerin Helga de la Motte-Haber in einem Vortrag mit dem Titel »Kunst vor Ort – Ein Parcours durch 25 Jahre der singuhr« über die Geschichte der singuhr im Kontext der Entwicklung der Klangkunst referieren. Die Video-Aufzeichnung des Vortrags wird ab 29.05. online verfügbar sein. Die ursprünglich geplante Podiumsdiskussion muss aufgrund der Pandemie leider entfallen. In Kooperation mit singuhr veranstaltet kontraklang anlässlich der Ausstellung ein abendfüllendes Konzert- und Performanceprogramm mit Werken von Rolf Julius und Miki Yui. »Song Books 1-6« (2004) und »mikrostrukturelle musik (für cello)« (2005) von Rolf Julius werden von den Musikern der Uraufführungen dargeboten – dem Wiener Cellisten Michael Moser und dem Ensemble Maulwerker. Darüber hinaus wird die in Düsseldorf lebende Künstlerin Miki Yui in einer Performance über gemeinsame Arbeiten mit Rolf Julius reflektieren.

Hinweise für den Ausstellungsbesuch:

Um die Sicherheit des Personals sowie der Besucher*innen zu gewähren, werden die aktuellen Hygieneregeln umgesetzt. Die Voraussetzungen für einen Ausstellungsbesuch sind das Tragen einer medizinischen Maske (FFP2) und ein tagesaktueller negativer Antigen-Test, ein Impfnachweis (15. Tag nach Zweit-Impfung) oder der Nachweis einer Genesung von einer COVID-19-Infektion (nicht älter als 6 Monate). Eine Vorab-Terminbuchung ist leider nicht möglich. Die max. Besucherzahl in der Parochialkirche beträgt 100 Personen, im Meinblau Projektraum 10 Personen. Es wird eine Anwesenheitsdokumentation durchgeführt.

Klanginstallation von Rolf Julius

28.05. — 13.06. 2021

in der Parochialkirche, Klosterstraße, Berlin-Mitte
Mi-So 14-20 Uhr

Julio Lugon – elephant meditations

28.05. — 13.06. 2021

im Meinblau Projektraum, Christinenstraße 18/19, 10179 Berlin
Mi-So, 14-20 Uhr

singuhr — projekte

Meinblau Projektraum

Veröffentlicht am: 08.06.2021 | Kategorie: Ausstellungen, Kultur, Kunst,

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