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Idiosynkrasien im roam space.

8. Juni 2023 - 17. Juni 2023

Idiosynkrasien
Ausstellung im Berliner „Roam“

Von Michael Stoeber

Gruppenausstellung von Künstlerinnen und Künstlern kommen in der Regel durch die Initiative einer Kuratorin oder eines Kurators zustande, die in deren Werken thematische, formale oder materiale Gemeinsamkeiten ausmachen. Häufig ruht dann der Fokus der Betrachtung auf diesem Aspekt. Er geht nicht selten auf Kosten der individuellen Qualität der einzelnen Arbeiten. Gruppenausstellungen ignorieren regemäßig den erhellenden Satz des Kunsthistorikers E. H. Gombrich, der einst schrieb: „Es gibt keine Kunst; es gibt nur Künstler.“

Dagegen betont die Ausstellung, die unter dem Titel „Idiosynkrasien“ die Werke von drei Künstlerinnen und zwei Künstlern im „roam“ zusammenführt, das Individuelle und Singuläre dieser Werke. Der Ausstellungstitel ist Programm. Der aus dem Altgriechischen herrührende Begriff der Idiosynkrasie betont die spezifische Empfindsamkeit eines Menschen, auf Welt und Wirklichkeit zu reagieren. Solche Idiosynkrasien bestimmen auch künstlerische Werke und sind nicht zu generalisieren. Ihre Ausdrucksformen sind in hohem Maße eigentümlich.

Dennoch ist die Zusammenführung der hier in Rede stehenden Werke in einer gemeinsamen Schau nicht reiner Willkür geschuldet. Zwischen ihren Künstlerinnen und Künstlern spannt sich ein unsichtbares Netz konzentrischer Kreise, durch die sie miteinander verbunden sind. Eine oder einer von ihnen kennt eine oder einen zweiten, die wiederum eine oder einen dritten kennen usw. Daraus hat sich schließlich eine Gruppe geformt, die qua Profession von einem gemeinsamen Interesse getragen wird: Sich mit ihrer Kunst öffentlich zu zeigen.

Ottjoerg, 1958 in Heidelberg geboren, ist in erster Linie Künstler, zugleich aber auch Initiator und Betreiber des Ausstellungsraumes „Roam“. Kunst ist für ihn Kommunikation. Und ohne politische Dimension kaum zu denken. Nach dem Abitur war er in der Berliner Hausbesetzer-Szene aktiv. Bevor er an der UdK Berlin in Alfred Hrdlicka Klasse für Bildhauerei eintrat, studierte er Journalismus und Philosophie. Was ihn nachhaltig sensibilisiert und wach gemacht hat für den prekären Zustand, in dem sich die Welt befindet. In seiner Kunst reagiert er darauf.

Bei seinen internationalen Aktionen lernte Ottjörg den 1963 in Seoul geborenen südkoreanischen Künstler Ukn Lee kennen. Er hat Malerei in Seoul und Braunschweig studiert; in Braunschweig war er Meisterschüler bei Norbert Tadeusz. Lee ist ein hingebungsvoller Maler mit einer singulären Bildauffassung. Seine Werke sind für Ihn Erinnerungsspeicher, die lebenden Organismen ähneln. Sie entwickeln sich mit ihm und sind für ihn im Prinzip unabgeschlossen. Häufige Übermalungen legen Zeugnis davon ab. Lees Bilder sind auf diese Weise Palimpseste gelebten Lebens.

Ukn Lees Liebe für die Malerei verbindet ihn mit Bettina Scholz, die neben ihrer Malerei auch Zeichnungen, Installationen und Objekte fertigt. Dabei lässt sie sich von der Kunstgeschichte, Film, Literatur und Musik inspirieren. Ihre expressiven Bilder, allen voran ihre famosen Glasbilder, entwickeln eine große emotionale Kraft. Sie changieren zwischen gegenständlicher Anspielung und abstrakter Selbstbehauptung und ziehen die Betrachtenden unwiderstehlich hinein in ein Wunderland überwältigender Farben und Formen, das sich bei jeder Begegnung neu entdecken lässt.

Malerisch wirken auch die Mehrzahl der Objekte der Bildhauerin NK Doege. So, wenn sie in einem Werk rostiges rotbraunes Eisen und leuchtend blauen Kunststoff zusammenführt. Dabei beeindruckt indes nicht allein der Farbeffekt, sondern ebenso die Synthese der unterschiedlichen Materialien, die wie von selbst zu erzählen anfangen. Nachdem der erste Eindruck des Dadaistischen verklungen ist, lassen die Werke von NK Doege an eine gelungene Coincidentia oppositorum ebenso denken wie an die Hochzeit von Yin und Yang oder die Hegelsche Dialektik.

In einer Welt, die immer stärker ins Virtuelle driftet, schreibt die Fotokünstlerin Marta Djourina in ungewöhnlicher Weise mit Licht auf analoges Fotopapier. Dabei nutzt sie von Tauben transportierte Lochkameras, die elektrische Ladung unserer Fingerspitzen, die Biolumineszenz von Algen und Pilzen wie die Kraft von Sonnenlicht und Salzwasser. Ihre großartigen Werke haben nicht nur der kameralosen Fotografie neues Terrain erschlossen, sondern beeindrucken auch als Zeugnisse einer künstlerischen Neugier, mit der Marta Djourina immer neue Lichtquellen für sich entdeckt.

So unterschiedlich die Werke der Künstlerinnen und Künstler auch anmuten, die Besucherinnen und Besucher werden nicht zögern, in ihnen Gemeinsamkeiten wie Unterschiede auszumachen. Das folgt der Logik einer gemeinsamen Hängung, so funktioniert vergleichendes Sehen. Der kleinste gemeinsame Nenner aller Werke dürfte die Narration sein. Sie alle erzählen in der einen oder anderen Weise vom Menschen. Und damit von uns! So erfüllen sie ein Desideratum, von dem wir schon in der „Poetik“ des Aristoteles lesen: Die Kunst möge unsere Sache verhandeln.

Details

Beginn:
8. Juni 2023
Ende:
17. Juni 2023
Veranstaltungskategorie:
Eintritt: -

Veranstaltungsort

roam space
Lindenstraße 91
Berlin, 10969
+ Google Karte

Veröffentlicht am: 31.05.2023 |

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