
Oma, Opa und das Böse an sich
16. Mai 2025 - 8. Juni 2025

„Unser Schweigen mündete in einem gemeinsamen Raum“
Ausstellung „Oma, Opa und das Böse an sich“ eröffnet im Verein Berliner Künstler
Das Schweigen der Kriegsgenerationen und die Suche Nachfolgender nach den Spuren ihrer Ahnen ist zentrales Thema der Ausstellung „Oma, Opa und das Böse an sich“, die am Freitag, den 16. Mai im Verein Berliner Künstler eröffnet. Gezeigt werden Werke von zehn Künstlerinnen und Künstlern, die aus ganz unterschiedlichen Perspektiven auf Shoah und Nationalsozialismus, auf Stalinismus und Kolonialismus aber auch auf heutige Konflikte blicken.
So erzählt das Künstlerduo Halina und Ralph Hildebrand seine eigene Geschichte: die eines Paares, dessen Lebenswege von denkbar gegensätzlichen historischen und kulturellen Hintergründen geprägt sind. Halina Hildebrand: „Die eine Familie war in die nationalsozialistische Ideologie verstrickt, drei Onkel meines Mannes fielen im Krieg. Die Überzeugungen dieser Generation wurden durch Schweigen verheimlicht. Verdrängung wurde zum Fundament der Familiengeschichte.“ Dem gegenüber steht die Geschichte von Halina Hildebrands Vater, der als einziger seiner Familie die Shoah überlebte. Sein Schweigen speiste sich aus der Scham des Überlebens und der Last des Erinnerns. Halina Hildebrand: „Dieses Schweigen, so unterschiedlich seine Ursachen auch waren, hat eines gemeinsam: Es trennt. Und – es kann überwunden werden: durch die Bereitschaft, einander anzusehen, zuzuhören und in einen Dialog zu treten. Unser biografisches Schweigen mündete in einem gemeinsamen Raum.“
Dasha Minkina, Anfang der 90er Jahre aus der Ukraine nach Deutschland emigriert, spürt dem Leid der Russlanddeutschen unter sowjetischer Repression nach. „Ich trage die Geschichte meiner Familie zwischen den Kulturen in mir, fragmentarisch, verwoben, vielfach verschwiegen“, so Dasha Minkina. Ihr großformatiges abstraktes Gemälde ist eine Auseinandersetzung mit der traumatischen Erfahrung ihrer Großmutter, die 1945 in einem sowjetischen Lager in der Mongolei für tot erklärt und in eine Leichengrube geworfen wurde. Sie überlebte nur knapp. Minkinas Werk sucht in abstrakter Formensprache die Ambivalenz von Grauen und Würde, von kollektiver Gewalt und menschlicher Solidarität. Dascha Minkina: „Trotz des Entsetzens sprachen die Überlebenden von gegenseitigem Beistand – von einer Menschlichkeit, die sich im Schmerz nicht auflöste, sondern verdichtete.“
Auch David Dibiah will Schweigen brechen, sichtbar machen, was durch Verdrängung seit langem unsichtbar bleibt. In seinem interaktiven Kunstprojekt „Ich trage, was ich nicht gesehen habe – 140 Jahre und kein Ende“ thematisiert der gebürtige Nigerianer die Aufteilung Afrikas unter den Kolonialmächten und die bis heute spürbaren Auswirkungen der willkürlichen Grenzziehungen und der Ausbeutung des Kontinents. David Dibiah: „Mein Projekt steht für die verdrängte Geschichte und die Verantwortung, sie ans Licht zu holen. Es fordert zum Zuhören, Mitdenken und Handeln auf. Dabei geht es nicht nur um Täter und Opfer, sondern auch um Widerstand, stille Heldinnen und Kämpfe, die bis heute andauern.“
„In einer Zeit, in der geschichtsrevisionistische Kreise den Nationalsozialismus als Fliegenschiss in der Geschichte bezeichnen oder eine erinnerungspolitische Wende fordern, war es mir wichtig, das Schweigen zu durchbrechen“, so der Künstler Steffen Blunk über die Intention der von ihm kuratierten Ausstellung. „Die Auseinandersetzung mit der eigenen Familiengeschichte führt ja unweigerlich zu der Frage: Wie hätte ich mich in der damaligen Situation verhalten? Und daraus resultiert die noch wichtigere Frage: Wie verhalte ich mich angesichts der weltweiten Angriffe auf Demokratie und Freiheit heute?“
Steffen Blunk selbst zeigt Werke aus seinem Zyklus „DOGGERBANK – eine Spurensuche“, der sich mit dem Leben und Tod seines Großvaters an Bord eines Hilfskreuzers auseinandersetzt. Den Ölbildern stellt er Originaldokumente zur Seite. „Auch in meiner Familie war das Schweigen groß und so musste ich Bruchstück für Bruchstück suchen und zusammensetzen. Am Ende zeichnet sich das Bild eines der ebenso tragischen wie irrwitzigen Dramen der deutschen Seekriegsgeschichte, das in den sinnlosen Tod von 364 Seeleuten führte.“
Die Ausstellung „Oma, Opa und das Böse an sich“ ist vom 17. Mai bis 8. Juni in der Galerie des Vereins Berliner Künstler am Schöneberger Ufer 57 zu sehen.
Rahmenprogramm: Mittwoch, 21.5., 18 Uhr, „Doggerbank – eine Erzählung“ & Kuratorenführung.
Sonntag, 1.6., 16 Uhr, „Seit wann ist Jetzt“, Performance & Künstlergespräch.
Freitag, 6.6., 17 Uhr, „Nester, Narben und das Erbe an sich“, Interaktive Kunstaktion.
FINISSAGE: Sonntag, 8.6., 15 Uhr, „Das Böse im Hier und Jetzt“ – ein (Künstler-)Gespräch.