Kolumne: Familiengeschichten

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Kunstleben Berlin Kolumne von Jeannette Hagen.

Weihnachten rückt näher und damit für die meisten von uns auch die Familie. Was die einen lieben, ist für die anderen ein Gräuel, weil hier und da Lebenswelten aufeinanderprallen, Peinlichkeiten aller Art nicht ausgeschlossen sind oder man sich schlichtweg nichts zu sagen hat. Sprengstoff par excellence. Natürlich geht es auch anders, und gerade weil das Thema Familie so vielschichtig und mit unterschiedlichen Facetten ausgestattet ist, schöpfen Autor*innen gern aus dieser Quelle. Und gerade weil es besonders in der kalten Jahreszeit wunderbar ist, Geschichten zu lauschen, möchte ich Dir heute zwei Lesungen ans Herz legen, bei denen die Familie im Mittelpunkt steht.

Am 9. November jährt sich der Mauerfall zum 32. Mal. Grund genug, dem Berliner Autor Michael Wäser zuzuhören, der in der Galerie Grolman ab 19:30 Uhr aus seinem Buch “Familie Fisch macht Urlaub oder Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu errichten” liest. Wäser nimmt uns nicht nur mit in diese von außen etwas schräg anmutende Familie mit ihren acht Kindern, sondern auch in die Zeit des Mauerbaus – ins Jahr 1961:

“Im Sommer 1961 läuft nicht alles wirklich rund bei der Erfurter Hausmeisterfamilie Fisch: Schon das achte Kind ist unterwegs, die Wohnung ist viel zu klein, die Versorgung schlecht, die Schulkinder werden von ihren Lehrern bespitzelt. Als sich auch noch Papas egoistische Mutter bei ihnen einquartieren will und er es nicht schafft, sich ihr zu widersetzen, ist Mamas Geduld ein für allemal zu Ende.

Viele Tausend DDR-Bürger hauen in jenen Tagen ab in den Westen – warum sollten die Fischs das nicht auch schaffen, denkt sie sich, und setzt ihrem Mann die Pistole auf die Brust: als Vorbereitungen zu einem ganz beiläufigen Familienurlaub getarnt, werden die Kinder, das Huhn Hempel und Vater Fisch eingenordet – pardon, eingewestet. In Ost-Berlin jedoch hat die Regierung völlig andere Pläne für diesen Sommer 1961, und auch die Schwiegermutter schießt quer.”

Wie viel Autobiografisches in diesem Roman steckt, verrät Dir der Autor sicher gern bei einem Gläschen Wein im Anschluss.

Anmeldung für die Lesung von Michael Wäser unter: galerie.grolman@posteo.de

Aktuelle Ausstellung dort:

06. November – 16. Dezember
MATTHIAS PABSCH
Separate Realities

Die zweite Lesung nimmt uns mit auf eine Reise durch mehrere Generationen. Jo Lendle, dem Autor von “Eine Art Familie” muss man die Frage nach dem autobiografischen Gehalt seines Buches gar nicht stellen. Bei seinem Roman ist von Anfang an klar, dass uns der Autor in seine Familiengeschichte eintauchen lässt. Sein Großonkel Ludwig Lendle hinterließ nicht nur ein umfangreiches, wissenschaftliches Werk über den Schlaf und die Narkose, sondern auch zahlreiche Briefe sowie einen Koffer mit Tagebüchern. Lendle strickt daraus einen Roman, der die Leser*innen vom Kaiserreich über den Nationalsozialismus und die junge DDR bis in die Bundesrepublik der Nachkriegszeit führt. Und auch hier geht es um alles, was das Familienleben so bereithält: über das Zerbrechen einer Familie, über Schuld. Aber auch um Wissenschaft, ihre zwei Seiten, ihr Verhältnis zur Welt und die feinen Unterschiede zwischen Schlaf, Narkose und Tod. Zu hören am 29. November ab 19:30 Uhr im Literarisches Colloquium Berlin, Am Sandwerder 5, 14109 Berlin.

Tickets: https://lcb.de/stoffe-eine-art-familie/

Beitragsbild: Matthias Pabsch, Bioscape, 2021, GalerieGrolman

Veröffentlicht am: 09.11.2021 | Kategorie: Ausstellungen, Kolumne Jeannette Hagen, Literatur,

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