Rudolf Englert und Chloe Bensahel: Galerie Dittmar

Rudolf Englert und Chloe Bensahel: Galerie Dittmar

Die Ausstellung zu Rudolf Englert (1921-1989) und Chloe Bensahel (*1991) vereint zwei Positionen, die über die Zeiträume hinweg und unabhängig von den verschiedenen Medien in Beziehung stehen. Neben der visuellen Nähe, basierend auf dem Prinzip der Reihung, bilden der Bezug zur Schrift sowie zur Musik grundlegende Elemente im Werk beider Künstler. Die Gegenüberstellung betont die gleichzeitig analytische wie spielhafte Vorgehensweise beider KünstlerInnen und ermöglicht durch die visuelle Annäherung eine neue Art der Wahrnehmung ihrer Werke.

Rudolf Englert schafft ab Anfang der sechziger Jahre seine innovativen Zeichnungsserien in schwarzer Tusche. Die Reihungen haben bei aller Disziplinierung einen freien, individuellen Ausdruck und sind richtungsweisend für sein weiteres Werk. In der Tendenz den Arbeiten der ZERO-Künstler verwandt, sind die Zeichnungen von großer Eigenständigkeit. In den siebziger Jahren werden die Kompositionen komplexer und bildmäßiger in der Anlage. Der Schriftcharakter wie die Anklänge an musikalische Notationen, die sich früh abzeichneten, treten deutlicher hervor. Führende Kunsthistoriker erkennen bereits damals die besondere Position Englerts innerhalb der internationalen Avantgardeströmungen. Auch vor dem Hintergrund der Neubewertung des Bildes, des Mediums Papier in den siebziger Jahren wird die Bedeutung von Rudolf Englert sinnfällig, der an dieser Entwicklung in unterschiedlicher Weise teilhat. „Nichts kommt bedeutend daher und gerade dadurch wird alles herausgelöst aus der Beliebigkeit und wird signifikant im Sinne des ganz bewusst gesetzten Zeichens als Ausdruck eines Prozesses… Der Betrachter tritt ein in einen wahrhaft kommunikativen Dialog der Reflexion, des Erkennens, des Verstehens.“ (Dieter Krüger, Kunsthalle Osnabrück, 2005)

Während Rudolf Englert den Begriff der Zeichnung so maßgeblich erweitert, erzielt Chloe Bensahel mit ihren Arbeiten die Abkehr von einem restriktiven Begriff der Textilkunst. Über die Verbindung traditioneller Techniken und Materialien mit einem konzeptuellen Ansatz und neuester Technologie erforscht die Künstlerin anthropologische und ästhetische Fragen.

Chloe Bensahels Werkgruppe Text Tapestries thematisiert die Verbindung von Text und Textil. Die Arbeiten basieren auf einer traditionellen Japanischen Technik zur Reparatur alter Textilien: Die Künstlerin beschreibt handgeschöpftes Papier, welches sie anschließend zerreist und zu einem Faden zwirbelt. Diesen webt sie zusammen mit anderen Materialien, zumeist Hanf oder Wolle, zu einem Teppich. Eine Fortführung dieses Gedankens bilden Bensahel‘s Interactive Tapestries. In Anlehnung an die Bedeutung des Textes in der jüdischen Religion, wo der ausschließlich in Konsonanten geschriebene Text erst durch die von den LeserInnen gesprochenen Vokale vollständig entsteht, bilden die BetrachterInnen einen integralen Teil des Werkes. Durch das Einweben leitender Fäden werden bei Berührung der Teppiche Ton- oder Lichtsequenzen aktiviert; die Arbeiten werden zum performativen Resonanzkörper. Hervorgegangen aus der Zusammenarbeit der Künstlerin mit Jacquard und der Google Arts & Culture Residency (2019) zielt die Werkgruppe auf eine Etablierung der Berührung als eigenständiger Form der Erkenntnis, im Gegensatz zu einer primär visuellen oder kognitiven Rezeption.

Chloe Bensahel studierte Integrated Design an der Parsons the New School of Design in New York. Nach einem Praktikum im Studio Sheila Hicks, Erlernen traditioneller Webtechniken im Studio Jun Tomita, Kyoto, und am Australian Tapestry Workshop, Melbourne. In diesem Rahmen Auszeichnung mit dem Irene Davies Emerging Tapestry Prize. Anschließende Residenz am Mobilier National, Paris. 2020 Auszeichnung mit dem CADAF Liberty Art Prize, Paris; 2022 Erhalt eines Smithsonian Artist Research Fellowship, Washington, D.C. Einzelausstellungen in der Französischen Botschaft in Washington und dem Australian Tapestry Workshop (jeweils 2018). Gruppenausstellungen im MOCA Marin, Novato, CA (2017); der SF Design Week, San Francisco (2017, 2018); dem Institut Français, Melbourne (2019); der Galerie des Gobelins, Paris (2021). Präsentation ihrer Arbeiten auf der Design Miami im Dezember 2023 in Vorbereitung ihrer Doppelresidenz am Massachussetts Institute of Technology (MIT) und in der Villa Albertine, Boston, März – Mai 2024. Im November 2023 Auszeichnung mit dem Prix des Amis du Palais du Tokyo, Paris; aus diesem Anlass dort eine Einzelausstellung im Frühjahr 2024.

Eine ausführliche und kommentierte Biographie Rudolf Englerts finden Sie in der gleichnamigen Publikation, herausgegeben von der Galerie Dittmar, Berlin (2022), S. 14-33.

Die Initiative und das Konzept zu dieser Ausstellung erfolgten durch die Kunsthistorikerin und Kuratorin Christina-Marie Lümen, Paris / Berlin.

Rudolf Englert und Chloe Bensahel

25. Januar 2024 – 4. März 2024

Galerie Dittmar

Veröffentlicht am: 20.02.2024 | Kategorie: Ausstellungen, Kunst,

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert