Vergessen Sie uns nicht – Julie Wolfthorn zurück in Berlin

Vergessen Sie uns nicht – Julie Wolfthorn zurück in Berlin

Zum 160. Geburts- und 80. Todesjahr der Berliner Malerin und Graphikerin Julie Wolfthorn (1864 – 1944) kehren viele Arbeiten in die Berliner Öffentlichkeit zurück. Bisher sind nur wenige Werke in Berlin dem Publikum zugänglich, so jeweils eines in der Nationalgalerie und eines in der Berlinischen Galerie. Der Verein der Berliner Künstlerinnen 1867 zeigt ab Donnerstag, den 11. April, eine Einzelausstellung der Künstlerin.

Julie Wolfthorn gehörte Anfang des 20. Jahrhunderts neben Käthe Kollwitz und Dora Hitz zu den führenden Künstlerinnen Deutschlands. Besonders ihrer Porträts waren gesucht – die Liste der von ihr Portraitierten liest sich wie ein Who’s who der damaligen Gesellschaft; unter ihnen Ida und Richard Dehmel, der Maler Christian Rohlfs, die Verlegerin Marta Baedeker, die Schriftstellerin Hedwig Lachmann und ihren Mann, den Schriftsteller und Politiker Gustav Landauer. Sie gehörte zu den wenigen Frauen, die regelmäßig Aufträge des Jugendstil-Magazins Jugend erhielten. Wolfthorn war eine ausgezeichnete Netzwerkerin und in vielen Vereinigungen, u. a. war Sie ein aktives Mitglied im Verein der Berliner Künstlerinnen1867 und zusammen mit Käthe Kollwitz im Vorstand und der Jury der Secession; sie prägte so das reformerische Kulturleben der Hauptstadt Berlins mit.

Bis vor kurzem war Julie Wolfthorn nahezu vergessen. Als Mitglied der verlorenen Generation war sie doppelt benachteiligt – als Frau in der Kunstwelt und als Jüdin. Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten änderte sich Wolfthorns‘ Leben radikal. 1942 mit beinahe 80 Jahren in das Konzentrationslager Theresienstadt deportiert, überlebte sie dort noch zwei Jahre und arbeitete selbst dort heimlich weiter.

Einige Tage vor ihrer Deportation schrieb sie an den Freund Carl Eeg: »Heute sende ich Ihnen den letzten Gruß. Wir warten hier auf d. Abtransport nach Theresienst. u. sind beinah zufrieden, endlich d. Ungewissheit los zu sein. Vergessen Sie uns nicht.« (Postkarte vom 17.10.1942)

Biografie Julie Wolfthorn

Geboren 1864 als Julie Wolf im westpreußischen Thorn, dem heute polnischen Torun. Etwa 1890 begann sie mit einer künstlerischen Ausbildung in Berlin und München und setzte ihr Studium dann in Paris fort. Es gelang Julie Wolfthorn bald, sich erfolgreich als Malerin in Berlin zu etablieren. Sie war Teil eines Netzwerkes künstlerisch und gesellschaftlich aktiver Frauen. Durch ihr unermüdliches Engagement trug die Malerin schließlich auch zur Anerkennung der professionellen Kunstausübung von Frauen bei.

Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten 1933 wurde Wolfthorn wegen ihrer jüdischen Herkunft aus nahezu allen Vereinigungen ausgeschlossen, erhielt Publikationsverbot und durfte nur noch in jüdischen Institutionen ausstellen. 1942 wurde sie mit dem Transport I/72 gemeinsam mit ihrer Schwester nach Theresienstadt deportiert. Sie überlebte zwei Jahre in Haft und starb am 29. Dezember 1944.

Zur Kuratorin

Dr. Heike Carstensen, Kunsthistorikerin, forscht seit mehr als 20 Jahren zu Julie Wolfthorn. Sie lebt und arbeitet in Stralsund.

Veranstaltungen im Rahmen der Ausstellung

  • Donnerstag, 11. April, 18:00 Uhr
    Vernissage
  • Donnerstag, 02. Mai 2024, 18:30 Uhr
    Julie Wolfthorn. Provenienz- und Familienforschung. Einblicke mit Peter Kühn, Wolfthorn-Sammler
  • Donnerstag, 15. Mai 2024, 18:30 Uhr
    Julie Wolfthorn. Leben und Werk. Vortrag von Dr. Heike Carstensen, Kunsthistorikerin und
    Wolfthorn-Expertin
  • Sonntag, 26. Mai 2024, 13:00 – 17:00 Uhr
    Finissage

Vergessen Sie uns nicht – Julie Wolfthorn zurück in Berlin

12. April 2024 – 26. Mai 2024

Verein der Berliner Künstlerinnen 1867 e.V.

Veröffentlicht am: 08.04.2024 | Kategorie: Ausstellungen, Kunst,

2 Meinungen zu “Vergessen Sie uns nicht – Julie Wolfthorn zurück in Berlin

  1. Nicola sagt:

    Liebe Frau Carstensen,
    Ich habe leider die Ausstellung verpasst.Und entdecke gerade diese wunderbare Künstlerin.Gibt es die Ausstellung irgendwo noch zu sehen?
    Ich mache szenische Stadtführungen und würde gerne das Leben von ihr mit den historischen Dingen dieser Zeit den Berliner*innen näher bringen. Diese Künstlerin hat es mehr als verdient.
    Danke

    • Erna Gfrerer sagt:

      Liebe Frau Carstensen,
      ich habe auch leider die Ausstellung von Julie Wolfthorn verpasst.
      Besteht noch eine Möglichkeit, sie an einem anderen Ort zu sehen?
      Mit freundlichen Grüßen
      Erna Gfrerer

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