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Fotografische Neuentdeckung: FRED KOCH in der ALFRED EHRHARDT STIFTUNG

15. Januar 2022 - 24. April 2022

Fred Koch (1904-1947) Sarothamnus scoparius. Leguminosae/Besenginster, Blütenausschnitt, um 1929/30 Silbergelatineabzug auf Barytpapier, 23,0 x 16,8 cm Courtesy Sammlung Rainer Stamm

Erstmalig präsentiert die Alfred Ehrhardt Stiftung eine wahrliche fotografische Neuentdeckung: Fred Koch (1904-1947) hat als einer der wichtigsten Fotografen der Weimarer Republik zu gelten. Mit seinem frühen Tod in der Kriegsgefangenschaft 1947 geriet er allerdings zunehmend in Vergessenheit. Die tatsächliche kunsthistorische Bedeutung Fred Kochs für die Fotografie der Neuen Sachlichkeit hat die Alfred Ehrhardt Stiftung in Pionierarbeit seit 2004 vorangetrieben und präsentiert die aufwändigen Recherchen und Zuschreibungen nun in einer allerersten Einzelausstellung. Seine neusachlichen Schwarzweißfotografien zeigen vorrangig Detailaufnahmen von Pflanzen und Kristallen, aber auch Eisblumen, Korallen, Conchylien, Insekten sowie Röntgenfotografien.

„Wie herrlich kann selbst der kleine Kristall erscheinen, richtig beleuchtet und richtig vergrössert […] hier ist Koch ein Bahnbrecher, der uns eine ganz neue Welt erschliesst, nicht wissenschaftlich echt, denn so wunderbar sehen die Sachen in natura gar nicht aus; doch künstlerisch wundervoll.“

– Adolf Herz (1931)

Bereits seit 2004 befasst sich die Alfred Ehrhardt Stiftung mit Fred Kochs Werk. Dass seine Fotografien von Kristallen und Mineralien in der Qualität die Fotos des großen Meisters der Neuen Sachlichkeit Albert Renger-Patzsch weit übertreffen, dokumentierte schon die vorangegangene Ausstellung Lebendiger Kristall (2004) deutlich. Koch kommt 1922/23 durch Renger-Patzsch mit der Fotografie in Berührung, als dieser das Bildarchiv des Folkwang-Verlags des Schriftstellers und Verlegers Ernst Fuhrmann (1886-1956) leitet und dafür im großen Stil Pflanzen aufnimmt. Mit jenen Pflanzenfotografien nimmt die Fotografie der Neuen Sachlichkeit ihren Ausgang. Koch wird 1928 Rengers Nachfolger und erweitert das Pflanzenfotoarchiv, das Eingang findet in Fuhrmanns Publikation Die Pflanze als Lebewesen. Eine Biographie in 200 Aufnahmen.

Fred Koch betont die florale Schönheit, Anmut und Pracht von Pflanzen und reizt dabei die Stilmittel der neusachlichen Fotografie maximal aus. Er richtet den Blick frontal auf die Pflanze, fotografiert in Untersicht, dramatisiert mit gezielter Lichtführung bis zur surrealen Verfremdung und abstrahiert durch extreme Ausschnitte. Koch arbeitete durch Lichtreflektionen und starke Schatten die Plastizität der Pflanze dramatisierend, fast schon theatralisch heraus. Auch der andere Großmeister der neusachlichen Fotografie, Karl Blossfeldt, nimmt seine Pflanzen eher nüchtern, sachlich und streng auf, während Koch die Pflanzen wie Porträts inszeniert. Fred Koch entwickelt in der intensiven Auseinandersetzung mit Ernst Fuhrmanns „Biosophie“ eine stilistische Eigenheit, die ihresgleichen sucht. Fuhrmanns organisch-ökologische Lehre von den Zusammenhängen menschlicher und pflanzlicher Lebensprozesse geht von einer animalischen Funktion der Pflanze als dämonisches und sexualisiertes Lebewesen aus. In seinen Texten und Bildunterschriften vergleicht er Pflanzenteile mit Fleisch, Knochen, Händen, Muskulatur, Geschlechts- und Sinnesorganen. Fuhrmanns Vorstellungen folgend, erwecken Kochs Inszenierungen bewusst Assoziationen mit sexuellen Konnotationen, womit er das „Lebendige der Pflanzen“ so pointiert hervorhebt wie kein anderer Fotograf seiner Zeit. 1931 würdigt der Schriftsteller Will Vesper Fred Kochs „meisterhafte Pflanzenaufnahmen, die den fantastischen Bau dieser Lebewesen wie unter der Lupe zeigen […]. Es ist, als sähe man zu, wie Pflanzen sich bewegen, sich formen, sich freuen, kämpfen, siegen, leiden und sterben, wie lebendige Wesen, die sie ja auch sind.“

Fred Koch (1904-1947) Ohne Titel, undatiert Silbergelatineabzug auf Barytpapier, 16,6 x 22,7 cm Courtesy Sammlung Claudia und Rolf Poss
Fred Koch (1904-1947) Ohne Titel, undatiert Silbergelatineabzug auf Barytpapier, 16,6 x 22,7 cm Courtesy Sammlung Claudia und Rolf Poss

Koch war ein unermüdlicher Tüftler, er entwarf Spezialkameras für extreme Tiefenschärfen im Makrobereich, optimierte seine Apparaturen und studierte die Ausleuchtungsmodalitäten bis ins kleinste Detail. Damit hebt er sich besonders bei seinen Fotografien von Kristallen und Mineralien hervor. In mehreren Texten verrät er seinen Lesern technische Raffinessen und Tricks:

„Neben Formcharakter und Material muss man bei den Kristallen ihr Verhalten zum Licht ganz besonders beachten.“

In Kenntnis der komplexen Raumstrukturen, strengen Gesetzmäßigkeiten, Transparenz und Lichtbrechungsfaktoren von Kristallen stellt Koch die ästhetischen Qualitäten der stofflichen Beschaffenheit und die architektonische Konstruktion seiner Motive besonders brillant heraus. In Detailreichtum, Schärfe und Präzision übertreffen viele seiner Kristallaufnahmen die seiner Zeitgenossen.

Nun kann und sollte Fred Kochs Name Einzug halten in zukünftige Veröffentlichungen zur Fotografie der Neuen Sachlichkeit. Die Alfred Ehrhardt Stiftung wagt den Schritt zu einer wirklichen Neuentdeckung.

Kuratorin: Stefanie Odenthal M.A., Stiftungsmanagerin und Kuratorin der Alfred Ehrhardt Stiftung

Leihgeber: Berlinische Galerie // bpk-Bildagentur, Berlin // LVR-LandesMuseum Bonn, Fotografische Sammlung // STÄDEL MUSEUM, Frankfurt (angefragt) // Stiftung F.C. Gundlach, Hamburg // Die Photographische Sammlung, SK Stiftung Kultur, Köln, Dauerleihgabe Rainer Stamm // Sammlung Ann und Jürgen Wilde, Zülpich // Dr. Hans Schön // Sammlung Claudia und Rolf Poss // Sammlung Rainer Stamm // Privatbesitz

Katalog: Anlässlich der Ausstellung erscheint der Katalog Fred Koch. Naturfotografie der 1920/30er Jahre (Dt./Engl., Texte Rainer Stamm, Stefanie Odenthal, Snoeck Köln, 2022).

Fred Koch. Naturfotografie der 1920/30er Jahre

15.01.2022 – 24.04.2022

ALFRED EHRHARDT STIFTUNG

Details

Beginn:
15. Januar 2022
Ende:
24. April 2022
Veranstaltungskategorie:
Eintritt: -

Veranstaltungsort

Alfred Ehrhardt Stiftung
Auguststr. 75
Berlin, 10117
+ Google Karte
Website:
http://www.alfred-ehrhardt-stiftung.de/

Veröffentlicht am: 07.01.2022 |

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