Kino zum Abheben

Kino im Flughafen Tempelhof 3 - Jeannette Hagen für Kunstleben Berlin

Wer viel und gerne ins Kino geht, kennt das: Manchmal geht es gar nicht um den Film. Manchmal reicht für das Wohlgefühl, sich einfach in sein Lieblingskino zu setzen, Popcorn in sich hineinzustopfen, ein Bier dazu zu trinken, tief in den Sessel zu rutschen und sich berieseln zu lassen. Dann toppt die Atmosphäre das virtuelle Erlebnis, dann dominiert das Gefühl, am richtigen Ort zu sein und dafür ist es im Grunde egal, ob vorn auf der Leinwand die x-te Wiederholung von “Stirb langsam” läuft oder irgendein anderer Film.

Kino im Flughafen Tempelhof 3 - Jeannette Hagen für Kunstleben BerlinDer Satz: “Kino, sowieso immer mehr als nur der Film” bringt es auf den Punkt. Zu finden ist er auf der Webseite des ehemaligen Tempelhofer Flughafens THFx – ein Gebäude, an dessen regen Betrieb sich nur noch Boomer und einige der Generation X erinnern. Heute findet die Marathon-Messe dort zweimal im Jahr eine Heimstadt und nun interimsweise die Neuen Kammerspiele Kleinmachnow. Bis Jahresende und zwischen den Jahren zeigen sie jeweils von Donnerstag bis Sonntag Kultfilme in der Haupthalle des ehemaligen Flughafens. 300 Stühle sind aufgestellt, es gibt eine Bar, die alles bereithält, was einen Kinobesuch, abgesehen vom Ambiente und vom Film lohnenswert macht.

“Das Pop-Up-Kino markiert nicht nur eine Erweiterung filmischer Erfahrung, es geht auch um eine Direktheit des sinnlichen Erlebnisses in Verbindung mit dem besonderen, geschichtsträchtigen Ort. Der Feinheit, Farbigkeit und Phantasie der Filme wird das Monumentale des Flughafen Berlin Tempelhof als Kulisse gegenübergestellt.”

Kino im Flughafen Tempelhof 3 - Jeannette Hagen für Kunstleben Berlin

Dem kann ich mich nur anschließen: Auch wenn die Stühle klapprig sind, man nach einer Stunde hin und her rutscht. Auch wenn es ein bisschen kälter, ein bisschen weniger kuschelig ist – das Erlebnis der Zeitreise zurück in die good old times, in die Jahre, als ein – ich wiederhole: EIN – Gepäckband für einen Hauptstadtflughafen ausreichend war, ist grandios. Dort zu sitzen und sich umzuschauen, hat auch etwas Tröstliches und Versöhnliches: Ja, die Dinge ändern sich. In der Zeit, in der wir leben, offenbar besonders schnell und trotzdem lassen sich immer wieder Inseln finden in denen Zuversicht liegt. Natürlich schwingt Nostalgie mit, wenn man die alten Schilder, die Uhr, das Design sieht, aber die Tatsache, dass eine Kulturgenossenschaft aus Kleinmachnow diesen Ort wiederbelebt, erzählt eben auch eine neue, eine andere Geschichte.

So wie auch die Auswahl der Filme in jeder Woche eine andere Geschichte erzählt – bei einigen dienten der Flughafen oder Berlin als Kulisse, andere knüpfen an das Thema der Vergänglichkeit und der Geburt des Neuen an, wiederum andere sind einfach Kult – genau wie der Ort selbst. Insofern ist dieses Kinoerlebnis wirklich zum Abheben gut.

Mehr + Tickets unter: https://thf-cinema.de

Veröffentlicht am: 10.12.2021 | Kategorie: Kino & TV, Kolumne Jeannette Hagen, Kultur, Kultur - was sonst noch passiert,

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