Die Gemälde von Arno Bojak entstehen aus einem Mix an Bezügen – etwa zur Kunstgeschichte, zur Literatur, zu Märchen, Sagen und Kinderbuchillustrationen, zum Comic oder zum Genre des Fantastischen Films. Wie schon in früheren Bildern sind häufig Kinder dargestellt. Kinderfiguren fungieren in Bojaks Werk schon immer als Archetypen. Sie stehen stellvertretend für die Spezies Mensch.
Es fällt auf, dass sich die Menschenbilder in den jüngsten Werken verändert haben. Es sind nicht mehr die umtriebigen coolen Kids und heimtückischen kleinen Monster im kindlichen Milieu dargestellt, sondern Jugendliche in der Adoleszenz. Die Figuren sind also ganz unverkennbar älter geworden. Aber es geht immer noch um Themen, die wir aus Bojaks früheren Bildern kennen – es geht um Macht, Liebes- und Rollenspiele.
Black Nymphéas
Vernissage: 29. November 2018, 19-22 h
Ausstellung: 30. November 2018 – 17. Januar 2019
Datum: 29.11.2018 – 18.01.2019
Arno Bojak
Arno Bojak, 1974 in Wuppertal geboren, studierte von 1994 bis 2000 Malerei an der Kunstakademie Düsseldorf bei Prof. Markus Lüpertz sowie bei Prof. Dieter Krieg, dessen Meisterschüler er war. Seit 2001 lebt und arbeitet Arno Bojak in Berlin.
Inspiration für seine Bilder bezieht der Künstler aus ganz unterschiedlichsten Quellen – beispielsweise aus der Kunstgeschichte oder der Literatur (Märchen, Sagen, Fabeln). Bezüge gibt es auch zum Genre des Fantastischen Films (Science-Fiction bzw. Fantasy- oder Horrorfilme). Die mit wenigen stilisierten Umrisslinien mehr gezeichneten als gemalten Darstellungsformen seiner Figuren haben comic-typische Merkmale. Dem Betrachter seiner Bilder drängt sich angesichts des Geschehens auf der Leinwand oft der Eindruck eines autobiografischen Hintergrunds auf. Ob dem so ist, lässt der Künstler aber offen.
In den Werken Bojaks sind die Grenzen zwischen Mensch, Natur oder Tierwelt oft fließend. So manche Szene wird von spannungsvoller Ambivalenz beherrscht. In der Konfrontation des Menschen mit einer „beseelten“ oder auch „monströsen“ Natur etwa finden nicht nur grotesk-makabere oder bedrohlich-unheimliche Begegnungen statt, sondern auch rätselhafte und irritierende Transformationsprozesse.
Es scheint so, als habe der Künstler sein inhaltliches Thema seit 2017 noch intensiver auf die Darstellung des modernen Menschenbildes zugespitzt. Wie schon in früheren Bildern sind auch in den Neuen häufig Heranwachsende dargestellt. Ob Kinder oder Jugendliche – sie alle fungierten in Arno Bojaks Werk schon immer als Archetypen. Sie und ihre Lebenswelten stehen stellvertretend für die Spezies Mensch und dessen Natur. Sie stehen für all seine widersprüchlichen Facetten – für seine Neurosen, seine Fetische, seine Boshaftigkeiten, seine Willkür, seine Selbstbezogenheit, seine selbstzerstörerischen Macht- und Konkurrenzkämpfe, seine Unsicherheiten, Sehn- süchte, Träume und Hoffnungen.
Fiktionen, Schein- oder Traumwelten und eine harte Wirklichkeit treffen in der Bildwelt von Arno Bojak zusammen. Und zwar oft so überraschend übergangslos, dass sich in teils irritierenden Raumbildern keine Sphäre mehr von der anderen trennen lässt. Situationen wenden sich schlagartig ins Surreale, Paradoxe und Abgründige. Unter den Oberflächen öffnet sich eine Dimension, die irgendwie vage-vertraut erscheint. Eine Dimension, die ebenso beunruhigend wie verstörend mit dem Heute verwoben ist.
So zeigt sich ein Riss im Alltag, der sich durch die Tristesse beschaulicher Vorstadt- szenerien mit ihren scheinbar heimeligen Wohnstuben zieht. Und selbst die einsamen Landschaften und die urdeutschen Waldszenerien, in die Arno Bojak seine Figuren „hineinstellt“, erscheinen in diesem Zusammenhang wie die Tatorte unfasslicher Geschehnisse.
„In Arno Bojaks paranoid verdichteten Szenarien (…) drängen sich unweigerlich er- schreckend viele Bezüge zur Geschichte und zum aktuellen Zeitgeschehen auf. All das Kaputte, Ambivalente, Destruktive und Erschreckende menschlicher Existenz wird
schmerzvoll sichtbar“, schrieb die Kunstwissenschaftlerin Dr. Heike Welzel-Philipp über die Bilder des Künstlers aus den Jahren 2011-2016.
Was die formale bzw. malerische Konstruktion der aktuellen Bilder anbelangt, so zeigt sich gegenüber den Arbeiten, die die Galerie KÖPPE CONTMPORARY noch vor zwei Jahren zeigte (Arno Bojak „Ei, Monstrum, Ei“) eine eindringliche Zuspitzung in der Dramaturgie. Die Formensprache des Künstlers ist nicht nur abstrakter und bewegter geworden, sondern die neuen Arbeiten faszinieren insbesondere durch die teilweise bis ins Extreme gesteigerte Dynamik der Bildatmosphäre.
Oft herrscht der Eindruck von eruptiven oder spiralförmigen Bewegungsenergien vor, welche in dramatischer Weise Einfluss aus Formen, Farben und Figurationen der Bild- komposition nehmen. Alles gerät in Bewegung, gerät in einen Strudel. Turbulenzen wirken auf das Bildgeschehen ein. Alles ist zentrifugalen Kräften ausgesetzt! Menschen, Gegenstände, Naturhaftes – alles wird wie von einer mächtige Gravitation erfasst und deformiert. Lebewesen, Pflanzen, und Gegenstände werden verwirbelt. All das ver- schwindet – wie im Auge eines Hurrikans.
An den jüngsten Werken fällt auf, dass sich Arno Bojaks Menschenfiguren verändert haben. Es sind nicht mehr die umtriebigen coolen Kids und heimtückischen kleinen Monster, die im-sich-Verhüllen und im-sich-Maskieren ihre zwiespältigen Spiele spielen, wie das Kunstpublikum sie noch aus den Ausstellungen „Die letzten ihrer Art“ oder „Ei, Monstrum, Ei“ vergangener Jahre kannte. In den neuen Bildern sind es Jugendliche kurz vor dem Erwachsenwerden.
Arno Bojaks Kinder-Figuren sind also ganz unverkennbar älter geworden. Sie treiben verbotene Spiele, sie haben Sex, sie berauschen sich mit Alkohol oder stellen sich vulgär zur Schau. Aber verweist das auf ein moralisches Psychogramm – auf eine Entrüstung über Zustände? Oder geht es hier doch eher um Erinnerungen oder um das Thema der vergehenden Zeit? Oder vielleicht auch um Prägungen und um die Suche nach Identität? Auf solche Fragen zu reagieren, überlässt Arno Bojak dem Betrachter seiner Bilder.
Arno Bojak hat die Bandbreite seines Werks breiter gezogen. Fundamentaler Wesenszug seiner Kunst ist das Phantastische und Absurde geblieben, sowie die Konzentration auf die Themen Raum und Mensch. Fragmente alltäglicher Realität scheinen in seinen Bildern wie aus den Tiefenschichten einer anderen Dimension – der Erinnerung oder eines Traumes vielleicht – an die Oberfläche zu dringen. Hinter der perfekten Illusionswelt lauern Abgründe, die (auch) auf gegenwärtige Entwicklungen verweisen. Idyllische Zustände gleiten, wie in einem Traum, ins Dämonische, Alptraumhafte und Apokalyptische über. Die Grenzen zwischen Ordnung, Chaos und Zerstörung sind offen und unscharf geworden.
André Lindhorst, 2018