Michael Wutz: Traurige Topoi – Galerie Friese

„Traurige Topoi" Michael Wutz Galerie Friese

Die Einzelausstellung “Traurige Topoi” mit neuen Arbeiten von Michael Wutz kann in der Galerie Friese bis zum 29. August 2020 von Montag bis Samstag jeweils von 11 bis 18 Uhr besucht werden.

Traurige Topoi – mit diesem Ausstellungstitel spielt der 1979 geborene Künstler Michael Wutz auf Claude Lévi-Strauss’ strukturalistische Programmschrift Traurige Tropen an. In der Galerie Friese präsentiert er eine erstmalige Zusammenschau seiner seit über zehn Jahren andauernden kritischen Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus.
Kernstück der Ausstellung bildet die gerade vollendete Radierungsmappe „Ossa Loquuntur“ – bestehend aus 43 Blättern, die den wissenschaftlichen Nachlass eines fiktiven Archäologen dieser Zeit konstruiert. Sich den forschenden Arbeitsprozess aneignend, legt der Künstler offen, wie im Nationalsozialismus „wissenschaftliche Erkenntnis“ durch den Mythos ersetzt wurde. Zugleich verweben sich die dargestellten archäologischen Fundstücke mit Wutz’ eigenem über die Jahre entwickelten motivischem Repertoire der Totenschädel und Faustkeile und weisen auf den Fetischcharakter des Artefakts hin.
Dieses Thema ergründet in anderer Weise auch Wutz’ Werkkomplex „Germania“, in dem er virtuos die Grenzen verschiedener Radierungstechniken ausreizt. In der dreiteiligen Werkgruppe überlagert Wutz Hitlers und Speers megalomanische Architekturutopie mit analogen Aufklärungsfotos vom bald bombenzerstörten Berlin zu einer homogenen Stadtstruktur. Unter Bezug auf Piranesis archäologische und gleichzeitig phantastische Topografien des antiken Roms, spiegelt sich in dem von Wutz konstruierten Anachronismus die Widersprüchlichkeit kollektiver Erinnerung und Verdrängung.
Fortgesetzt wird diese Serie mit zwei neuen Radierungen zum „Lichtdom“ von Albert Speer, die nahezu unbekannte Aspekte dessen Inszenierung ins Zentrum rücken und die Architektur malerisch ins Abstrakte auflösen.
Ein umfangreicher Komplex von Aquarellen, übermalten Radierungen und Collagen lässt noch tiefer in den Kosmos des Künstlers eintauchen und weitet die Fragestellungen des druckgraphischen Werkes aus. Darstellungen von Echokammern, anatomischen Landschaften, wissenschaftlichen Vorlesungen und medizinischen Illustrationen kollidieren mit Bühnenensembles von Platon bis Lacan.
Voller Spiegelungen und Projektionen, Transparenzen und Undurchsichtigkeiten erzählen Michael Wutz’ Werke die Geschichte des Nationalsozialismus so leise wie eindringlich.

Bild: Installationsansicht Michael Wutz | Traurige Topoi (von links nach rechts) Ohne Titel, 2019 | Germania III, 2018 | Ohne Titel, 2020. Foto: Eric Tschernow © Galerie Friese 2020

Datum: 18.07.2020 – 30.08.2020

Galerie Friese

Veröffentlicht am: 27.07.2020 | Kategorie: Ausstellungen,

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