Lebensleistung verdient Respekt

Lebensleistung verdient Respekt, Kunstleben Berlin

Die Zahl, die auf meinem Rentenbescheid steht, ist bescheiden. Obwohl ich drei Kinder geboren habe und bis heute als Autorin und freie Journalistin in die Rentenkasse einzahle, würde das Geld gerade mal so für eine Miete reichen. Wenn überhaupt. Zum Überleben oder besser noch zum Leben reicht die Rente nicht. Darum habe ich die Debatte um die Grundrente mit viel Interesse verfolgt.

Schließlich soll sie vor Altersarmut schützen, von der ich – Stand jetzt – auf jeden Fall betroffen wäre.

Voraussetzung für den Erhalt der Grundrente sind mindestens 33 Jahre Grundrentenzeiten in denen man ein Mindesteinkommen von einem Drittel des durchschnittlichen Arbeitnehmereinkommens (brutto) erwirtschaftet haben muss. Und da liegt der Haken für die meisten Künstler*innen und Freien, die bei der KSK gemeldet sind, denn ihr Einkommen liegt ziemlich häufig unter oder sogar weit unter dieser Messlatte. Die freie Künstlerin und Kuratorin Dagmar Schmidt fasst diesen blinden Fleck im Gesetzentwurf für das Monopol-Magazin sehr treffend zusammen:

„Dass Künstler*innen und andere Kreative aber teilweise mit weniger als einem solchen Einkommen irgendwie über die Runden kommen müssen, kann sich offenkundig in der Bundesregierung kaum jemand vorstellen, entspricht aber leider der Realität. Ein Blick in die Ergebnisse der BBK-Umfrage zur wirtschaftlichen und sozialen Situation oder auch der Künstlersozialkasse (KSK) hätte Aufschluss bieten können.“

Kunst zu schaffen und das kulturelle Angebot zu bereichern, sei es durch Malerei, Bildhauerei, Fotokunst, Schreiben oder Theater ist kein Hobby. Auch wenn man es aufgrund der miserablen Einkommenssituation der Künstler*innen und Kreativen leicht annehmen könnte.  Und dass die Einkommenssituation der meisten Künstler*innen und Kreativen prekär ist, war eigentlich nie ein Geheimnis. Umso überraschender, wie selbstvergessen die Arbeitsgruppe, die den Gesetzentwurf zu verantworten hat, die Lebensrealität und vor allem auch die Lebensleistung von 188.951 KSK-Mitgliedern ignoriert hat. Dazu Simone Barrientos, Kulturpolitische Sprecherin der Fraktion Die Linke im Bundestag:

„Die Grundrente schließt viele Kreative aus. Kreative und Kulturschaffende sind für eine Gesellschaft lebensnotwendig, und der Staat steht in der Pflicht, ihnen ein Leben in Würde auch im Alter zu ermöglichen.“

Dem muss man eigentlich nichts mehr hinzufügen, außer das es ja bisher noch kein Gesetz ist und damit nach wie vor die Möglichkeit besteht, an den entscheidenden Stellschrauben zu drehen.  Darum hat der Bundesverband bildender Künstlerinnen und Künstler unter der Headline „Lebensleistung verdient Respekt“ einen Appell gestartet, den bisher gut 39.000 Menschen unterzeichnet haben. In diesem Appell wird unter anderem gefordert, die Bemessungsgrenze von 30 auf 10 Prozent des Durchschnitteinkommens zu senken. Der Aufruf kann nach wie vor unterzeichnet werden und vielleicht gelingt es ja, damit ein Zeichen zu setzen. Denn: Was wäre diese Welt ohne Künstler*innen und Kreative?

https://www.bbk-bundesverband.de/beruf-kunst/soziale-sicherung/altersvorsorge/mitunterzeichnung-appell/

Veröffentlicht am: 07.03.2020 | Kategorie: Kolumne Jeannette Hagen, Redaktion-Tipp, | Tag: Jeannette Hagen,

2 Meinungen zu “Lebensleistung verdient Respekt

  1. Kunstlandschaft Spandau sagt:

    Vor Einführung der Hartz4Gesetze, boten Politiker als Gegenleistung für unbezahlte Nutzungen Künstlern Vermittlung in hochdotierte Eindrittelstellen oder Bürgerarbeit (ABM) im Bereich Kunst und Kultur an. Situation war demütigend, nicht lebensbedrohlich. Kulturwissenschaftler / Künstler argumentieren seit dreißig Jahren für Anerkennung selbst bestimmter, aber anerkannt gemeinnütziger Arbeit und Honorierung mit einem Bürgergeld in Höhe des Pfändungsfreibetrages –

  2. Kunstlandschaft Spandau sagt:

    In Deutschland ist Arbeitsintensität höher, Mindestlohn niedriger als in anderen EU-Ländern, Grundrenten gelten in anderen Ländern als Grundrenten für alle, Versicherungsrenten als Zusatzrenten. Grundproblem: Politiker erlaubten sich, nur ihrem Gewissen verpflichtet arbeiten, im Wahlkampf Falschaussagen machen zu – dürfen, sie bestimmen ihre “Entschädigungen” selbst, https://de.wikipedia.org/wiki/Abgeordnetenentschädigung Generalstreik wurde in Deutschland verboten, Gewerkschafter arbeiten wie Wirtschaftsunternehmen und vertreten Interessen der Mitglieder, die ihnen viel Geld einbringen können. Künstler der Kunstlandschaft Spandau regten BKK-Petition an – aber: Pressesprecher des Petitionsausschusses erklärte, Petitionsausschuss habe in Deutschland Alibifunktion, Bürger sollten trotzdem Petitionen schreiben, “sie kommen in Archive und stehen Oppositionspolitikern zur Verfügung”… Künstler, die für Ausstellungs- und Veröffentlichungshonorare streikten, leben ausgegrenzt –

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