Kunstleben Berlin Kolumne von Jeannette Hagen. Seit dem 26. Januar 2023 gibt es am Fuß des Europa Centers einen neuen Ausstellungsraum: Basement – Raum für Kunst. Oliver Möst, selbst Fotograf, Künstler und Kurator, der seit einigen Jahren eng mit dem Fachbereich Kultur des Bezirks Charlottenburg/Wilmersdorf zusammenarbeitet, bespielt das Basement nun für ein Jahr mit vier Ausstellungen. Jeannette Hagen hat ihn für Kunstleben Berlin getroffen.
Kommt dieser Raum direkt vom Bezirk oder gehört er zum Europa Center? Was war hier vorher?
Der Raum ist nicht Teil des Europa Centers, sondern gehört zum angrenzenden Weltkugelbrunnen und bildet dazu eine Ebene der Begegnung im Untergeschoß. Das Areal befindet sich im Eigentum des Bezirkes Charlottenburg-Wilmersdorf. Im Herbst 2022 wurde der Raum dem Fachbereich Kultur zur kulturellen Nutzung angeboten und ist seit Januar 2023 als temporärer Ausstellungsort für Kunst der Gegenwart des Fachbereich Kultur Charlottenburg-Wilmersdorf geöffnet. Die künstlerische Leitung liegt bei mir. Dieser besondere Standort bietet sich für eine Intervention von Kunst im Kontext mit dem öffentlichen Stadtraum an. Ich habe ja schon einige Male so gearbeitet, dass ich mich auf die direkte Umgebung beziehe. Diese Herangehensweise bestimmt auch die Ausstellungsinhalte der vier geplanten Ausstellungen.
Gab es mehrere Bewerber*innen oder warst Du der einzige?
Die Kuratierung des Programms wurde vom Fachbereich Kultur beauftragt. Die kulturelle Nutzung ist begrenzt – zunächst auf das laufende Jahr 2023. Der Raum und seine versteckte Lage stellt schon eine Herausforderung dar. Er funktioniert ja wie ein Schaufenster, denn man kann durch die Glasfront in die aufeinanderfolgenden Räume schauen. Durch diesen neuen Standort erweitert sich das Programm des Fachbereichs Kultur mit aktueller Kunst im Stadtraum präsent zu sein und Künstler*innen zu fördern. Das passiert ja auch bereits an anderen Orten im Bezirk, nämlich am Bahnhof Charlottenburg, an der Kirche am Hohenzollerndamm und in zwei Vitrinen im Wohnkomplex Schlangenbader Straße – alles temporäre Orte für die Kunst.
Und wird es wechselnde Ausstellungen geben?
Ja. Die aktuelle Ausstellung ist bis zum 8. April verlängert worden, die nächste fängt am 20. April an. Das Thema wird sein: „ZOBRA – Der Blick auf Tiere“. Zoo ist dabei der Überbegriff. Wir befinden uns ja in unmittelbarer Nachbarschaft mit dem Zoologischen Garten – also wieder ein klassischer Bezug auf die Umgebung. Dazu kommt, dass das Krokodil, das sich am Weltkugelbrunnen direkt vor unseren Räumen befindet, von Susanne Wehland im Zoo gezeichnet wurde. Auch hier also wieder ein direkter Bezug zum Ort. Und weil der Zoo eben über 150 Jahre alt ist und schon hier war, bevor der ganze Rest kam, dachte ich, dass es auch noch mal ein guter Punkt ist, um historisch auf die Gegend zu schauen. Und weil dieses System Zoo auch immer wieder in Frage gestellt wird und sich unser Blick auf den Umgang mit Tieren in den letzten 20 Jahren extrem verändert hat, wird es dazu, wie hier in der aktuellen Ausstellung, unterschiedliche Positionen geben. Positionen ab den 1920er Jahren, aber eben auch zeitgenössische Positionen. Und auch ein ganz breites Spektrum: Video, Fotografie, Zeichnung, Installation und Bildhauerei.
Du sagst, die jetzige Ausstellung ist auch in Bezug auf diesen Ort konzipiert und kuratiert. Kannst Du das ein bisschen erläutern?
Im November 2022 stand fest, dass wir diesen Raum hier bespielen können. Daraufhin habe ich mich zeitgleich mit so unterschiedlichen Dingen beschäftigt, wie Logo und der Konzeption für die erste Ausstellung. Das Logo vom Europa-Center, das ja praktisch unser direkter Nachbar ist (Die meisten denken, dass wir zum Europa Center gehören) – dieses Logo war früher eine rote Raute. Daraus wurde das Logo für diesen Raum entwickelt, aber es gibt eben in der Ausstellung auch eine Arbeit von Jak R. Maier, die auch aus einer roten Raute entwickelt wurde. Diese Arbeit stand früher im öffentlichen Raum. Sie ist allerdings verschwunden. Ihr Standort war der Innenhof des Rathauses Wilmersdorf und sie wurde auf der Freien Berliner Kunstausstellung präsentiert. Jetzt ist nur noch ein Modell erhalten, das wir hier in der Ausstellung zeigen. Das war ein Ausgangspunkt dafür, sich mit dem Umgang mit der Kunst im öffentlichen Raum auseinanderzusetzen. Und da ja an diesem Ort, an dem wir uns befinden, die Kunst im öffentlichen Raum sehr präsent ist – also es gibt den Weltkugelbrunnen von Joachim Schmettau und Susanne Wehland, es gibt den Obelisken von Heinz Mack und es gibt die Skulptur „Berlin“ von dem Bildhauer Ehepaar Matschinsky-Denninghoff, dann die „Uhr der fließenden Zeit“ von Bernhard Gitton – so habe ich also die Ausstellung mit Werken konzipiert, die sich assoziativ auf die Werke im Außenraum beziehen.
Du hast zu den einzelnen Werken recherchiert. Was hast Du herausgefunden?
Bei dieser Recherche bin ich zum Beispiel darauf gestoßen, dass der Weltkugelbrunnen, der im Volksmund „Wasserklops“ oder „Schmettau-Brunnen“ heißt, eben nicht von Joachim Schmettau allein gemacht wurde, sondern dass Susanne Wehland daran mitgearbeitet hat. Sie hat nicht nur das Krokodil und die „Landschaft mit Badender“ gemacht, sondern sie hat auch Joachim Schmettau bei der Konzeption unterstützt und hat den Brunnen gemeinsam mit ihm gebaut. Die beiden teilen sich bis heute ein Atelier. Das hat sich also durch die Zusammenarbeit sehr eng verwoben. Darum zeigen wir in dieser Ausstellung Arbeiten von Susanne Wehland und zwar einmal zwei Arbeiten mit dem Titel „Frühling“ und „Herbst“ – das sind kleine Wandfriese – und dann noch einen Viererblock im hinteren Raum. Die Arbeiten von ihr aufzunehmen, war eine direkte Bezugnahme, denn diese Arbeiten sind jetzt genau auf den Brunnen ausgerichtet. Dadurch entsteht eine offensichtliche Verbindung. Und dann habe ich dazu Arbeiten der französischen Künstlerin Cécile Dupaquier ausgesucht, die sehr minimalistisch arbeitet und diese Arbeiten beziehen sich auf die Arbeiten von Wehland und Mack.
Hast Du den Künstler*innen denn den direkten Bezug zu den Arbeiten im Öffentlichen Raum vorgegeben?
Also ich habe die Künstler*innen angesprochen und habe sie auf die assoziativen Zusammenhänge, die ich sehe, hingewiesen und dann haben sie mir auch relativ schnell zugestimmt. Aber ihnen waren die Arbeiten nicht immer so präsent, wie sie es mir waren, weil ich mich ja sehr intensiv damit auseinandergesetzt habe. Das heißt, in der Broschüre, die wir zur Ausstellung produziert haben, kann man das dann auch nachvollziehen, weil dort die Arbeiten abgebildet und die Zusammenhänge hergestellt werden. Bei Anne Gathmann zum Beispiel, die wie Heinz Mack mit Metall und Glas arbeitet. Ihre Arbeiten leben wie die von Mack auch ganz stark vom Licht und der Umgebung. Und eine Arbeit in der Ausstellung bezieht sich direkt auf diese Paar-Situation, denn es gibt nicht nur den Mack, der hier am Europa Center steht, sondern es gibt auch noch eine zweite Skulptur am Henriettenplatz, am anderen Ende des Kurfürstendamms. Und das öffnet eine Klammer und in der Arbeit, die wir hier zeigen, gibt es auch eine Dualität, die diese Klammer aufnimmt.
Bei manchen Arbeiten ist die Nähe relativ klar. Bei Bernhard Gitton und der „Uhr der fließenden Zeit“ ist es so, dass das Wasser mit Fluoreszin eingefärbt wird, um es sichtbar zu machen. Und mit dem gleichen Stoff arbeitet Markus Wirthmann seit zwei Jahrzehnten. Seine Arbeit verändert sich eben auch. Während die „Uhr der fließenden Zeit“ uns die Zeit anzeigt, verdunsten in seinem Objekt die Flüssigkeit und wechselt die Farbe von grün zu orange, die Arbeit kristallisiert sozusagen.
Und so gibt es jede Menge Querverbindungen auch bei Matschinsky-Denninghoff. Wir haben hier in der Ausstellung Arbeiten von beiden. Sie sind ja ein Künstlerpaar und haben ab den späten 60ern gemeinsame Arbeiten nur noch mit Matschinsky-Denninghoff signiert, haben aber weiterhin auch als Brigitte und Martin gearbeitet und haben eigene Arbeiten dann auch dementsprechend signiert. Und da wir draußen vor der Tür diese sehr bekannte Skulptur „Berlin“ stehen haben, finden sich in der Ausstellung Papierarbeiten – jeweils eine von ihr und eine von ihm. Und wenn man den Zusammenhang kennt, dann sieht man auch eine starke Verbindung zwischen den Arbeiten. Dazu habe ich dann noch Arbeiten von Carlos Silva ausgesucht, der aus Kolumbien stammt und Architektur und Kunst studiert hat und der ganz stark mit alten Techniken arbeitet – also kaligrafischen Techniken. Und seine gestischen Malereien erinnern ganz stark an diese Röhren von Matschinsky-Denninghoff.
Hast Du denn den Eindruck, dass die Besucher*innen diese Bezüge auch herstellen können? Du bist ja nicht die ganze Zeit hier, um zu erklären.
Nein. Ich bin hier, wenn das angefragt wird und wenn meine Kollegin Adriana Disman nicht kann. Oder mein Kollege Ben Stoiber. Wir sind drei Leute, die sich um die Besucherbetreuung kümmern. Aber es gibt ja auch den Text, in dem die Bezüge dargestellt werden – den gibt es auf der Webseite und in der Broschüre, die ausliegt. Man kann sich natürlich die Ausstellung auch ohne unsere Unterstützung anschauen. Tatsächlich ist es so, dass zum Beispiel die Bezüge zwischen der Skulptur von Jak R. Maier und von den Arbeiten, die wir dazu ausgesucht haben von Pedro Boese und von Peter K. Koch relativ offensichtlich sind, weil sie eben mit ähnlichen geometrischen Figuren arbeiten. Und viele Menschen, die in die Ausstellung kommen, sagen sofort, dass es da ein bestimmendes Element gibt – das sind geometrische Formen. Es gab auch einige Besucher*innen, die gesagt haben: „Das ist jetzt so Westdeutschland.“ Was ja stimmt, die Bezugspunkte sind nun mal in ehemals Westberlin und in den 70ern und 80ern entstanden. Aber die Positionen der zeitgenössischen Kunst, die wir dazu ausgesucht haben, wurden zwischen 2011 und 2023 angefertigt.
Hat das auch etwas mit dem Titel zu tun?
Ja, genau. Daher kommt er. Also „HIER UND JETZT“ bedeutet, dass die Kunst HIER, also vor Ort ist, auf die sich die zeitgenössischen Positionen, nämlich das JETZT beziehen. Diese assoziativen Räume, die wir versuchen damit zu öffnen, die funktionieren ganz gut.
Herzlichen Dank für das Gespräch. Zu dem es bald eine Fortsetzung geben wird, in der wir uns noch intensiver mit der Kunst im öffentlichen Raum auseinandersetzen werden.
Basement – Raum für Kunst befindet sich in der Tauentzienstr. 9-12 in 10789 Berlin. Der Zugang ist über die Treppe am Weltkugelbrunnen. Geöffnet Mittwoch–Samstag von 14–19 Uhr. Weitere Informationen unter: www.basement-berlin.com
„HIER UND JETZT“
26.01.2023 – 08.04.2023
mit Arbeiten von
Pedro Boese
Cécile Dupaquier
Anne Gathmann
Peter K. Koch
Jak R. Maier
Brigitte Matschinsky-Denninghoff
Martin Matschinsky-Denninghoff
Carlos Silva
Susanne Wehland
Markus Wirthmann
Pingback: Zobra – der Blick auf die Tiere im Basement - Kunstleben Berlin - das Kunstmagazin